Dr. Walter Moser, Kurator der Albertina spricht über die neue Fotografie Ausstellung ACTING FOR THE CAMERA, die von 10. März bis 5. Juni 2017 in Wien zu sehen ist.
Mit rund 120 Werken aus der Fotosammlung der Albertina untersucht die Ausstellung Acting for the Camera die vielfältigen Formen von (Selbst-)Inszenierungen von Modellen für die Fotokamera. Die Zeitspanne der Aufnahmen reicht von den 1850er-Jahren bis in die Gegenwart und bietet sowohl einen Querschnitt der Fotografiegeschichte als auch der Vielfalt der hauseigenen Sammlung. Die sechs thematischen Schwerpunkte bilden Bewegungsstudien, Studienvorlagen, Tanz, Bildergeschichten, SchauspielerInnenporträts und Aktionistische Inszenierungen des Körpers.
Fotografien liegen vielschichtige Formen der Zusammenarbeit zwischen dem Modell vor und der Person hinter der Kamera zugrunde. Manche der Modelle setzen sich auf Anweisungen der FotografInnen in Szene, andere Aufnahmen gehen als gemeinsamer kreativer Prozess aus der gleichberechtigen Kooperation zwischen Modell und FotografIn hervor. In manchen Fällen wird jedoch auch nach minutiösen Vorgaben der Modelle aufgenommen.
Die Anfänge
Mit wissenschaftlichen Fotostudien können erstmals menschliche Bewegungsprozesse für das menschliche Auge sichtbar gemacht werden. Anonyme Modelle stellen sich etwa für die Fotografien von Ottomar Anschütz um 1890 zur Verfügung, um Abläufe wie den Speerwurf nachvollziehbar zu machen. Die Abgebildeten agieren hier auf genaue Anweisung der Fotografen. Mittels dieser Fotos werden Bewegungsmuster „gesunder“ und „ungesunder“ Körper verglichen und medizinische Theorien visuell belegt. Wie die Bewegungsstudien dienen Johann Victor Krämers inszenierte Studioaufnahmen ebenso wie Otto Schmidts Akte als Vorlage für KünstlerInnen, manche davon werden auch als pornografische Bilder „unter dem Ladentisch“ gehandelt.
Ausdrucksstarke Gesten
Eine starke wechselseitige Beeinflussung findet auch zwischen Fotografie und Tanz statt. Der moderne Ausdruckstanz war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Kunstform der Avantgarde. TänzerInnen arbeiten eng mit FotografInnen zusammen, um Aufführungen festzuhalten und zu verbreiten. Diese Partnerschaft ermöglicht ausdrucksstarke Inszenierungen, die stilprägend für ihre Zeit sind. Ihre expressiven Gesten nimmt wiederum Anton Josef Trčka auf, wenn er Egon Schiele mit tänzerisch anmutender Handhaltung posieren lässt.
Porträts bekannter SchauspielerInnen wie die lachende Romy Schneider sowie Rollenporträts im Rahmen von Filmproduktionen entstehen in den Wiener Ateliers, etwa von Trude Fleischmann oder Madame d’Ora. Diese ikonischen Aufnahmen bilden einen weiteren Schwerpunkt der Schau.
Körper als Material der Fotografie
So wie klassische Porträts die Persönlichkeit der Abgebildeten vermitteln, kann in der Fotografie im Gegenteil auch der Körper als reines Material in Szene gesetzt werden. Helmar Lerski betrachtet das menschliche Gesicht wie eine Landschaft, die durch Licht und Schatten modelliert werden kann. John Coplans wiederum erforscht seinen nackten alternden Körper zentimetergenau, bildet sich ohne Kopf ab und hinterfragt damit Inszenierungen von Männlichkeit und gesellschaftliche Normen.
Auch beim Aktionismus stellt sich der Künstler selbst als Bildsujet ins Zentrum. Rudolf Schwarzkogler, der sich Ende der 1960er-Jahre mumiengleich in Mullbinden wickelt oder Günter Brus inszenieren Performances eigens für die Fotokamera. Die jüngsten Werke von Acting for the Camera reichen bis hin zu Erwin Wurms One Minute Sculptures, für die Modelle sich mit Alltagsgegenständen für den Künstler in skurrile Posen werfen.
Nach Black & White (2015) und Land & Leute (2016) ist dies die dritte umfassende Präsentation der Albertina-Fotosammlung. Als Schatzkammer visuellen Wissens hat die Albertina seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Fotografien gesammelt – eine Tatsache, die erst nach der Gründung der Fotosammlung 1999 wiederentdeckt wurde.
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