Video 1: Matthew Rampley
Professor, Department of Art History, Masaryk University, Brno

The Art History Congress in 1873: Significance and Consequences
The first international conference of art history (Erster Kunstwissenschaftlicher Congress), held in Vienna in 1873, marked the introduction of the apparatus of modern ‘scientific’ art history. The guest of honour, Karl Schnaase, was ambivalent about this development, expressing the hope that the emergence of new norms of inquiry would not eclipse the legacy of speculative art history. Schnaase’s speech was politely received but largely ignored. From the point of view of the present, we may view it as representing the outlook of a generation of scholars who were anxious about being superseded by their younger peers. 1873 marked the entry of positivism into Viennese art history, and while much attention has been lavished on scholars such as Alois Riegl, Franz Wickhoff and Max Dvořák, it is arguably positivism that has had the longer-lasting legacy of the Vienna School in Austria and more generally in central Europe. Yet what were Schnaase’s reservations? This lecture revisits the details of his talk and considers them not only in the light of Schnaase’s work and art history in the 1870s, but also in relation to the present. As we celebrate 150 years since the conference was held, it asks: should we view his comments merely as a largely forgotten historical moment, or do they retain some relevance for the present?

Video 2: Oliver Rathkolb
Professor, Institut für Zeitgeschichte, Universität Wien

Die Wiener Weltausstellung 1873 zwischen „Krähwinkelei“, Turboglobalisierung und dem Beginn des nervösen Zeitalters
Die Berichterstattung über diese internationale Leistungsschau von Industrie und Handel, aber auch der Kunst und Kultur wird schwerpunktmäßig als öffentliche Bühne analysiert, auf der der soziale und der wirtschaftliche Zustand der Habsburger Monarchie im internationalen Vergleich ebenso deutlich werden wie die frühen Wurzeln der Moderne um 1900.
Sie symbolisiert den verspäteten Beginn der Turboglobalisierung im Vergleich mit England, Frankreich und Deutschland sowie den USA. Die bisherige Bezeichnung „Gründerzeit“ verharmlost die tiefgreifenden gesellschaftlichen und kulturellen Folgen dieser Entwicklung, die auch die Wiener Moderne und ihre zentraleuropäischen Zentren prägen sollten.

Video 3: Hans Ulrich Obrist
Artistic Director, Serpentine Galleries, London

Édouard Glissant for Exhibition-Making in the 21st Century
Glissant’s philosophy of „Relation“ is rooted in the history and the geography of the Antilles archipelago. Through constant exchanges from one island to another, the archipelago has provided the matrix for creolisation, a process of continual fusion that does not cause the loss of cultural and linguistic diversity, but enriches it through hybridisation. The most tangible outcome to emerge from this context is creole languages, resulting from miscegenation and osmosis between vernaculars. While continental thinking relies on systems, and claims the absoluteness of its own worldview, archipelagic thinking recognises and furthers the world’s diversity. Glissant realised early on the dangers of globalisation, the homogenising engine behind the disappearance of cultural, linguistic and ecological diversity, as well as the dangers of the populist counter-current to globalisation, namely new forms of nationalism and localism that refuse solidarity. To resist globalisation without denying globality, he coined the notion of „Mondialité“ as a plea for a continuous worldwide dialogue that equally encouraged the mixing of cultures and celebration of local identities. Obrist’s curatorial projects are directly inspired by this concept of „Mondialité“ as a perpetual process of relating.

Video 4: Mio Wakita-Elis
Kuratorin und Kustodin Sammlung Asien, MAK

Keramik aus Japan auf der Wiener Weltausstellung: Die Sammlungsstrategie des Museums für Kunst und Industrie innerhalb der japanisch-mitteleuropäischen Diskurse
Japans Auftritt auf der Wiener Weltausstellung ist in vielfachem Sinne bedeutend: Es geht dabei nicht nur um die erste offizielle Präsentation Japans auf einer internationalen Bühne nach dem sozio-politischen Wechsel des Landes nach 1868, sondern auch darum, dass Japans Teilnahme in Wien europäischen Sammlungen einen direkten und einfachen Zugang zu japanischen Objekten bescherte. Im Fokus dieses Vortrags steht das Museum für Kunst und Industrie in Wien (heute: MAK – Museum für angewandte Kunst) mit seiner Agenda als aktiver Förderer der hiesigen Kunstgewerbereform und als maßgeblicher Akteur innerhalb der mitteleuropäischen Sammlerlandschaft. Anhand von Fallbeispielen japanischer Keramik wird der Frage nachgegangen, wie das Museum außereuropäische Objekte innerhalb des Wertkanons verortet hat, welcher Stellenwert dabei der Keramik aus Japan zuteilwurde und nach welchen Kriterien die Sammlungsstrategie der Wiener Kulturinstitution gestaltet wurde. Um die Ankaufspolitik des Museums dem kulturhistorischen Kontext der Zeit zuzuordnen, werden die Verhandlungs- und
Übersetzungsprozesse um die Wertigkeit japanischer Objekte auf 3
verschiedenen Ebenen innerhalb der japanischen und Wiener Diskurse aufgeschlüsselt. Mit diesem Ansatz wird versucht, die Sammlungspolitik des Museums in ihrer ganzen Komplexität zu verstehen und die damit verfolgte Strategie in ihrer gesamten Bandbreite neu zu beleuchten.

Video 5: Sven Schuster
Professor für Geschichte, Del Rosario University, Bogotá:
Brasilien und Lateinamerika auf der Weltausstellung (via Zoom)

Das Kaiserreich Brasilien, Lateinamerikas einzige Monarchie und bis 1888 Verfechter der Sklaverei in Amerika, nahm ab 1862 an den Weltausstellungen teil. Nach mäßig erfolgreichen Auftritten in London (1862) und Paris (1867) gelang es den brasilianischen Ausstellungsmachern auf der Wiener Weltausstellung 1873 zum ersten Mal, das internationale Publikum auf befriedigende Weise von seinen Modernisierungsanstrengungen unter Kaiser Dom Pedro II. zu überzeugen. Während Brasiliens Agrarerzeugnisse und Rohstoffe im Vordergrund standen, spielten Darstellungen seiner Bevölkerung und seiner Kultur ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Zurschaustellung eines
„fortschrittlichen und zivilisierten“ Landes. Die inneren Spannungen und Widersprüche des tropischen Kaiserreichs konnten jedoch nicht ganz verdeckt werden. Obwohl Brasilien als einziges lateinamerikanisches Land eine eigene Sektion im Zentralpavillon der Ausstellung erhalten hatte, waren auch Exponate der Länder Guatemala, El Salvador, Chile, Venezuela und Uruguay in Wien zu sehen. Inwiefern sich deren Präsentationen am visuellen Diskurs des „Ausstellungsveteranen“ Brasilien orientierten bzw. von diesem unterschieden, wird ebenfalls Teil dieses Vortrags sein.

Video 6: Johannes Wieninger
Independent Scholar und ehemaliger Kustode Sammlung Asien, MAK

Die Wiener Weltausstellung und das Orientalische Museum
Museumsgründungen und Ausstellungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dienten nicht nur „der Bildung und der Freude“, sondern hatten oft handfeste wirtschaftliche Bedeutungen. Sogenannte „Handelsmuseen“ entstanden in mehreren europäischen Hauptstädten und sollten der Intensivierung internationaler Handelskontakte dienen. So entstand auch nach der Wiener Weltausstellung 1873 ein „Orientalisches Museum“ (später in „Handelsmuseum“ umbenannt) mit der Aufgabe, weiterhin die wirtschaftlichen Kontakte der österreichisch-ungarischen Monarchie zu asiatischen Ländern zu pflegen und zu intensivieren. Tatsächlich kam diese auf Vereinsbasis gegründete Institution, die über kein eigenes Gebäude verfügte, dieser ursprünglichen Aufgabenstellung kaum nach. Der erste und einzige Direktor, Arthur Scala (1845–1909), konnte umfangreiche Sammlungen erwerben, die nach der Auflösung des Museums 1905 in andere Museen integriert wurden, unter anderem in das heutige MAK. Darüber hinaus veranstaltete er Großausstellungen und förderte bahnbrechende kunsthistorische Arbeiten und Publikationen.

Video 7: Carolin Overhoff Ferreira
Professorin, Institut für Kunstgeschichte, Federal University of São Paulo

Dekolonialität als Neudefinition der Moderne
Dekolonialität ist viel mehr als ein Modewort, auch wenn es derzeit in aller Munde ist. Die Geschichte der letzten 500 Jahre wurde in Europa so erzählt, dass man die dehumanisierende Dimension der Versklavung und der Kolonialisierung eines Großteils der Weltbevölkerung normalisiert und somit fast vergessen hat. Dekolonialität ist somit eine Herausforderung an unsere Idee der Moderne, da erinnert werden muss, dass die Kolonialität, also koloniale Denk- und Handlungsmuster, und somit die Dehumanisierung fast aller Nicht-Europäer*innen ihr eigentliches Programm war. Dies muss benannt und durch die Einbeziehung nicht-westlicher Epistemologien verändert werden. Kunstgeschichte und Kunstwissenschaften müssen sich der Herausforderung stellen, da sie durch die Hierarchisierung von Kunst und Artefakt und somit durch die Erniedrigung anderer Kulturen und ihrer Kunstproduktion ein maßgeblicher Teil der Eroberung war. Beide Disziplinen sind aufgefordert, Dekolonialität als eine Methode in ihre analytische Praxis aufzunehmen. Dafür setzt sich dieser Vortrag ein, indem er die Herausforderung aus brasilianischer Perspektive für deren zeitgenössische Kunst, Ausstellungswesen und Kunstgeschichte beschreibt.

Video 8: Susanne Titz
Direktorin Museum Abteiberg, Mönchengladbach

Framing Theories. Das Museum der Einrahmungen neu denken
„Welche Grundsätze lassen sich für die Anordnung und Katalogisierung öffentlicher Kunstsammlungen aufstellen?“ – Fragepunkt I.3 im Ersten Kunstwissenschaftlichen Congress ist die Crux der Museen, auch 100 Jahre und 150 Jahre danach. Von Beidem, der Anordnung und der Katalogisierung, sind sie, zumindest tendenziell, überfordert. Dies zu entschleiern, sichtbar zu machen und auszustellen, ist ein produktiver institutionskritischer Gedanke, der Johannes Cladders’ Museumspraxis in Mönchengladbach 1967–1978, Daniel Burens dortige Demonstrationen seiner Rahmentheorie 1971/1975 und Ghislaine Leungs Scores für das Museum Abteiberg 2021 bestimmt.

Video 9: Wilfried Kuehn
Partner des Architekturbüros Kuehn Malvezzi, Kurator und Autor, Professor für Raumgestaltung und Entwerfen, TU Wien

dis/play
dis/play diskutiert unsere räumliche Beziehung zu ausgestellten Objekten. Architektur kann Exponate rahmen und schützen, indem sie Displays schafft. Dabei entsteht eine Distanz zwischen Betrachter*in und Objekt, die vor allem das Ausstellen in Museen auszeichnet. Was passiert, wenn wir diese Distanz infrage stellen oder verschwinden lassen, um Kunst unmittelbar zu erfahren?

Weitere Informationen: MAK – Museum für angewandte Kunst

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