„Es ist, als würde ich dein Selbst-Porträt filmen“, sagt Agnès Varda zu Jane Birkin in JANE B. PAR AGNÈS V. aus dem Jahr 1988. Varda, geboren 1928 in Brüssel, Spielfilmregisseurin, Dokumentaristin, Installationskünstlerin und Filmtheoretikerin, ist eine der großen Künstlerpersönlichkeiten der Filmgeschichte. Ihr Werk umspannt mittlerweile sechs Jahrzehnte. Varda bildete – zusammen mit Godard, und im Dialog und Widerstreit mit diesem – das intellektuelle Gravitationszentrum der Nouvelle Vague. Der Satz, den sie zu Birkin sagt, lässt sich als Poetik und Programm verstehen. Die entscheidende Frage ist für sie nicht, was Kino ist, sondern was es bedeutet, Kino zu machen – für sie selbst, für andere und im Zusammenspiel mit anderen. Vardas Kino ist entsprechend offen und erfinderisch, oft autobiografisch und zugleich universell, vielgestaltig und stets changierend zwischen Formen, Formaten und Gattungen.
In der Reihe Lecture & Film entwerfen namhafte internationale Experten bis Juli 2016 eine Kartographie des vielschichtigen Werks von Varda. Die Vorträge werden ergänzt durch eine begleitende Filmreihe. Diese präsentiert Werke, die in Verbindung mit der Arbeit Vardas stehen. Im Mai sind dies die Filme der Reihe „Paris, je t’aime“ den Drehort und Schauplatz Paris in der Filmgeschichte in den Mittelpunkt stellen – von früher bis heute.
Weitere Informationen: agnes-varda.de
Lecture von Kate Ince: „Portraits von Paris“ in englischer Sprache
L’OPÉRA-MOUFFE (FR 1958) und DAGUERRÉOTYPES (FR 1976) zählen zu Agnès Vardas gelungensten Dokumentarfilmen. L’OPÉRA-MOUFFE handelt vom 5. Arrondissement von Paris, dem Quartier rund um die Rue Mouffetard. Der Film porträtiert die Menschen, die in dieser historischen Straße leben und diese passieren. Surrealistisch anmutende Bilder des weiblichen Körpers kontrastieren diese Porträts. DAGUERRÉOTYPES handelt von den Ladenbesitzer/innen, die in der Rue Daguerre im 14. Arrondissement leben, der Straße, in der Varda seit den 1950er Jahren wohnt. Der Film ist ein Porträt mit den für Varda seit nunmehr 60 Jahren typischen Interviews.
Kate Ince ist Reader in French Film and Gender Studies an der University of Birmingham. 2016 erscheint ihr Buch über weibliche Subjektivität im Film mit dem Titel The Body and the Screen: female subjectivities in contemporary women’s cinema.
DAGUERRÉOTYPES Daguerreotypen – Leute aus meiner Straße
Frankreich 1976. R: Agnès Varda
Dokumentarfilm. 80 Min. DCP. OmeU
Agnès Varda lebt 1975 in der malerischen Rue Daguerre. Als sie sich entscheidet, einen Film über ihre Nachbarschaft zu drehen, macht sie jedoch nicht die pittoresken Ansichten der hübschen Straße zum Gegenstand ihres Films, sondern die Bewohner/innen von Nummer 70 bis 90. Es sind Porträts der Händler/innen und Krämer/innen in ihren kleinen Lädchen, mit ihren liebenswürdigen Marotten und Eigenheiten. Varda stellt den meist aus Algerien, Osteuropa oder dem Süden Frankreichs stammenden Migrant/innen immer wieder dieselben Fragen: Wo kommst du her? Warum bist du hierhergekommen? Vergleichbar mit dem 1839 von Daguerre erfundenen Aufnahmeverfahren der Daguerreotypie entwickeln auch ihre Figuren einen charakteristischen Glanz.
Am Donnerstag den 12.05.2016 im Kino des Deutschen Filmmuseums.