Das Jüdische Museum Frankfurt und die Gesellschaft seiner Freunde und Förderer haben im vergangenen Jahr fünf renommierte Künstlerinnen und Künstler zu einem geschlossenen Wettbewerb eingeladen. Ziel war die Realisierung eines Kunstwerks von prägender Gestalt im neuen Lichthof zwischen dem Rothschild-Palais und dem Neubau des Jüdischen Museums.
Mittlerweile hat eine international besetzte Jury die Entscheidung in diesem Wettbewerb getroffen. Der israelische Künstler Ariel Schlesinger wurde mit der Realisierung seines Entwurfs für eine aufsehenerregende Skulptur beauftragt. Sein Kunstwerk „Untitled“ besteht aus zwei ineinander verschränkten Skulpturen, die ein- und demselben Baum abgenommen und in Aluminium gegossen wurden. Eines dieser beiden Baumskelette wird im Boden verankert sein, während das andere seine Wurzeln kopfüber dem Himmel entgegenstreckt und mit seinen Ästen mit der Krone des unteren Baums verwoben ist. Die gesamte Skulptur ist etwa 11 x 5 Meter groß und hat eine matte, sandgestrahlte Oberflächenstruktur. „Das Jüdische Museum befindet sich in einem Prozess der grundlegenden Erneuerung und Expansion. Im Mittelpunkt der Veränderung steht der Dialog. Das Kunstwerk „Untitled“ von Ariel Schlesinger setzt ein Zeichen: für den Dialog zwischen jüdischer Geschichte und kultureller Gegenwart, aber vor allem auch mit der Frankfurter Stadtgesellschaft“, sagt Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig.
„Untitled“ hat einen poetischen Charakter und lässt diverse Deutungen zu. Der Künstler verweist in diesem Zusammenhang unter anderem auf das Buch Ezechiel 17, 24, in dem es heißt: „Ich lasse den grünenden Baum verdorren, den verdorrten Baum lasse ich erblühen.“ Seine Skulptur verbindet das Motiv der Verwurzelung mit dem der Entwurzelung. Mit dieser Verbindung spielt „Untitled“ nicht nur auf die biblische, sondern auch auf die moderne jüdische Geschichte Frankfurts an. Denn die beiden miteinander verwobenen Bäume lassen sich als eine Verbindung zwischen der jüdischen Erfahrung der Emigration mit der Erfahrung der Integration in eine städtische Gesellschaft interpretieren. Dem entwurzelten Baum, einem Symbol jüdischen Lebens im Exil, wird ein Getragenwerden vom verwurzelten Leben des anderen Baumes, dem vergangenen Verlust das Versprechen der Zukunft entgegen gehalten. Die Skulptur nimmt damit auch Bezug auf die beiden benachbarten Gebäude und verbindet das historische Rothschild-Palais aus dem 19. Jahrhundert mit dem Neubau von staab Architekten aus dem 21. Jahrhundert. „Untitled“ wird durch die Größe und Position zu einem Markenzeichen des neuen jüdischen Museums werden und sich den Besuchern während ihres Museumsrundgangs aus unterschiedlichen Perspektiven darbieten. Die Skulptur soll Mitte Oktober 2018 der Öffentlichkeit übergeben werden.
Ariel Schlesinger, 1980 in Jerusalem geboren, hat sich in den vergangenen Jahren mit seinen skulpturalen Arbeiten und Rauminterventionen in der internationalen Kunstszene einen Namen gemacht. Bekannt ist der Künstler für seine minimalen, stets äußerst präzisen Transformationen von Alltagsdingen, mit denen er – scheinbar funktionslos gewordenen – Objekten eine neue Lebendigkeit verleiht. Viele seiner Arbeiten verbinden gegenständliche Dinge zu auf einander bezogenen Paaren und unterstreichen die Dynamik dieser Beziehung. Der Künstler greift dabei häufig auf Objekte oder Formen zurück, die er dem Alltag entnimmt und mit mehr oder weniger radikalen Eingriffen in etwas überführt, das vertraut und überraschend anders wirkt.
Ariel Schlesinger lebt und arbeitet in Mexiko-Stadt und Berlin. Er hat seine Arbeiten in einer Vielzahl von Einzel- und Gruppenausstellungen in renommierten Museen und Galerien präsentiert und wird von der Dvir Galerie in Tel Aviv, Gregor Podnar in Berlin und der italienischen Galerie Massimo Minini vertreten.
Der internationale Wettbewerb zur Realisierung des Kunstwerks im Lichthof des neuen Jüdischen Museums wurde von der Gesellschaft der Freunde und Förderer des Jüdischen Museums e.V. finanziert. Der Jury unter dem Vorsitz von Andreas von Schoeler, Oberbürgermeister a.D. und Vorstand der Gesellschaft der Freunde und Förderer, gehörten neben der Frankfurter Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig auch die Jerusalemer Kuratorin Dr. Emily Bilski sowie die ehemalige Direktorin des Museums für Moderne Kunst Frankfurt, Dr. Susanne Gaensheimer. Von Seiten des Jüdischen Museums nahmen die Direktorin Dr. Mirjam Wenzel, die Sammlungsleiterin Dr. Eva Atlan und Erik Riedel, Kurator und Leiter des Ludwig-Meidner-Archivs, teil. Dr. Jessica Beebone aus dem Fachbereich Bildende Kunst des Kulturamts ergänzte die Fach-Jury. Beratende Jurymitglieder waren Michael Hootz, Stadtplanungsamt, Per Pedersen, Staab Architekten GmbH, Dr. Oliver Strank, Ortsbeirat, und Dagmar Stefan der MuseumsBausteine Frankfurt GmbH.
Nach Abschluss des Wettbewerbs gelang es Andreas von Schoeler gemeinsam mit Oberbürgermeister Peter Feldmann und Oberbürgermeisterin a.D. Petra Roth einen renommierten Förderer für die Realisierung der Skulptur zu gewinnen: Ermöglicht wird der 350.000 Euro teure Ankauf der Skulptur durch eine Spende aus dem Hause Rothschild – namentlich der Oberhäupter des französischen Familienzweiges, Baron David und Baron Eric de Rothschild, des von der Familie kontrollierten Bankhauses Rothschild & Co sowie des Stuttgarter Unternehmers Klaus Mangold, der den Rothschilds seit langem eng verbunden ist, unter anderen als Aufsichtsratsvorsitzender der deutschen Tochtergesellschaft der Finanzgruppe.
Das gesellschaftliche Engagement der Rothschild-Familie in Europa und Israel geht weit über die jüdische Community hinaus und ist traditionell sehr breit gefächert. Es umfasst unter anderem die Bereiche Medizin, Wohnungsbau und Bildung. Zu Frankfurt hat das Haus Rothschild eine enge historische Beziehung: In der damaligen Judengasse legte Mayer Amschel Rothschild in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Grundstein für die später weitverzweigten Aktivitäten der Familie im Finanzsektor. Heute ist die deutsche Tochtergesellschaft mit Sitz in Frankfurt ein wichtiger Bestandteil von Rothschild & Co, einem der weltweit führenden unabhängigen Finanzberater für Unternehmen und Unternehmerfamilien.
Zum aktuellen Engagement für das Jüdische Museum erklärte Klaus Mangold, auch im Namen der Familie und ihres Bankhauses: „Die historischen Wurzeln der Rothschilds liegen hier in Frankfurt, und die beiden heutigen Heimstätten des Jüdischen Museums sind eng mit dem Namen und der Geschichte der Familie verbunden. Insofern ist es uns eine Ehre und eine Freude, an der Neugestaltung dieser angesehenen Institution mitzuwirken, die überdies auch etliche Exponate der Familie beherbergt. Doch wir verstehen unser Engagement nicht als bloße historische Reminiszenz. Wir unterstützen damit ausdrücklich das Anliegen des Museums, jüdisches Leben in Vergangenheit und Gegenwart erlebbar zu machen. Das ist gerade in Zeiten, in denen Antisemitismus und Ressentiments gegen alles Fremde wieder hoffähig zu werden drohen, wichtiger denn je.“
Dr. Ina Hartwig, Andreas von Schoeler und Dr. Mirjam Wenzel sind der Familie Rothschild sowie Prof. Mangold zu großem Dank für ihre überaus großzügige Unterstützung verpflichtet. Deren symbolischen Charakter würdigt der ehemalige Oberbürgermeister mit den Worten: „Das Frankfurter Bankhaus M.A. Rothschild und Söhne wurde 1901 geschlossen und die in der Stadt verbliebenen Angehörigen der Familie 1933 systematisch entwürdigt und vertrieben. Dass diese Familie sich nun für das Jüdische Museum engagiert, ist ein Vertrauensbeweis und eine Ermutigung nicht nur für das Museum, sondern für die ganze Stadt Frankfurt an Main.“
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