Der Salon Berlin präsentiert vom 13. Oktober 2017 bis zum 17. Februar 2018 die erste Einzelausstellung von Bharti Kher in Deutschland. Die 1969 in London geborene Künstlerin lebt und arbeitet seit den frühen 1990er Jahren in Delhi und gehört zu den bedeutendsten internationalen Gegenwartskünstlerinnen ihrer Generation in Indien, aber auch darüber hinaus. Im Salon Berlin wird eine Auswahl ihrer Werke im Dialog mit einem Meisterwerk Gerhard Richters präsentiert.
Bharti Kher verbindet in ihrem Schaffen nicht nur unterschiedliche Techniken, Materialien und Medien, sondern auch Männliches und Weibliches, Tierisches und Menschliches, Heiliges und Profanes, Tradition und Technologie. So wie sich ihr Werk mit alchemistischen oder magischen Prozessen assoziiert, vermittelt es zugleich die Vorstellung, dass die menschliche Identität in ständiger Transformation und Konstruktion begriffen ist. Den Kern ihres Werkes bildet, wie sie selbst betont, der „hybridisierte, widerspenstige, in Frage gestellte oder auch völlig abwesende Körper.“
Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt, in der die Balance zwischen Zivilisation und Natur immer stärker ins Wanken gerät, vermitteln Khers Werke eine nahezu körperliche Erfahrung von Erschütterung, Unsicherheit und Wandel. Zugleich thematisieren sie das kontinuierliche Streben nach Ausgleich und Vereinigung. Kher interessiert sich für jenen Moment, in dem scheinbar widersprüchliche Kräfte ein Equilibrium finden und völlig neue Erfahrungen und Bedeutungen hervorbringen. Dabei experimentiert sie für ihre Skulpturen, Installationen und Bilder mit den divergentesten Materialien: Fiberglas, Holz, Stahl, zerbrochene Spiegel oder auch Bindis. Diese werden von hinduistischen Frauen als spirituelles Symbol auf der Stirn – zwischen den Augenbrauen, dort, wo das „dritte Auge“ sitzen soll – aufgemalt oder geklebt. Ursprünglich mit Weiblichkeit und Religiosität assoziiert, sind Bindis heute zugleich Massenware und Modeschmuck. Kher verstärkt in ihren Bindi-Arbeiten beide Aspekte: die Materialität ebenso wie die spirituelle Dimension.
International bekannt wurde die Künstlerin 2006 mit The skin speaks a language not its own, der lebensgroßen Fiberglas-Skulptur eines sterbenden Elefantenweibchens. Die Haut des Tieres war mit tausenden spermienförmiger Bindis bedeckt. Kher nutzt Bindis als künstlerisches Mittel, um die Oberflächen von Skulpturen und Ready-Mades in einem flirrenden All-Over wie mit einer zweiten Haut zu bedecken, oder um aus den unzähligen Punkten Gemälde mit abstrakten Mustern zu konstruieren. Immer spielt sie in all ihren psychologisch und mythologisch aufgeladenen Arbeiten auf bestehende Machtverhältnisse an – die Zerstörung der Umwelt, das Vernichten von Ursprung und Tradition, die Unterdrückung von Frauen in Indien wie auch auf der ganzen Welt. Zugleich thematisiert sie den permanenten inneren und äußeren Wandel, den ewigen Kreislauf des Lebens.
„Bharti Kher spielt in ihren Arbeiten mit bisweilen extremen Gegensätzen, ihre Werke schwingen zwischen dem vermeintlich „Weiblichen“ und „Männlichen“, zwischen dem „Indischen“ und „Westlichen“ hin und her. Wie ein Yin und Yang pendeln sie so gegensätzliche Beziehungen aus, führen sie zusammen – und harmonisieren sie schließlich, so dass etwas ganz Neues, vielleicht sogar „Größeres“ entsteht,“ so Patricia Kamp, Kuratorin der Ausstellung, über das Werk der Künstlerin. Wie es „Dark Matter“, der Titel des Plakatmotives zur Ausstellung, andeutet, lösen sich diese Polaritäten in Khers Werk durch eine paradoxe Erfahrung auf. Ihre Arbeiten sind zugleich physisch extrem präsent, bleiben aber ungreifbar. In der Physik ist dunkle Materie eine postulierte Form von Materie, die nicht direkt sichtbar ist, aber über die Gravitation wechselwirkt. Und so verhält es sich auch mit Khers Kunst. Letztendlich entsteht sie erst durch die Anziehungskräfte zwischen dem Betrachter und ihrer Arbeit.
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