Wenn man den Aschermittwoch als ein Kulturgut der Reflexion auf die eigene Existenz, des Bewusstmachens von Endlichkeit und der Neuausrichtung von sich und vielleicht auch der Gesellschaft insgesamt begeht, dann sind die künstlerischen Portraitarbeiten von Thomas Henke wie gemacht auf diesen Tag. Deshalb haben wir den Künstler eingeladen – als Epilog zur wissenschaftlichen Fachtagung „Iconic Turn in den christlichen Konfessionen“ die beiden Tage zuvor – am 22. Februar 2023 nach Graz zu kommen und in seiner großen Retrospektive mit Kurator Johannes Rauchenberger über seine künstlerischen Verfahrensweisen zu sprechen.
Es geht in dem dichten Gespräch um Sinn, um Endlichkeit, um Radikalismus, um Missbrauch, um Poesie, um Kunst, um das Sterben, um Gott. Es geht um die „letzten Dinge“, die allerdings keineswegs apokalyptisch ausgemalt werden, sondern existenziell. Alte und junge Nonnen sind bei Henke genauso Hauptdarstellerinnen, wie Literatinnen, Philosophen oder junge Menschen auf der Suche nach Identität, ob in der Jugendpsychiatrie oder im radikalen Milieu oder schlicht in der unendlichen Trauer um die seit Jahren alkoholkranke Mutter, die der Jugendliche in den Tod begleitet hat. Niemals wird eines seiner Themen oder einer seiner Protagonist*innen ironisch dargestellt.
Vieles der unendlich erscheinenden Stunden in dieser Ausstellung ist schwer zu ertragen. Fast immer wird man in eine ganz andere Welt versetzt, aus der zurückzukehren gar nicht einfach ist.
Am Ende sagt Henke: „“Wir versuchen, das Fenster in die Seelenlandschaft offen zu halten und in ein Zentrum zu führen, auch wenn alle möglichen Zentrifugalkräfte der Massenkultur dagegen halten. Wir versuchen, dass die Jalousie nicht runtergeht…“ (1:05:01:00)
Das Gespräch am 22.2.2023 fand Im Rahmen der Ausstellung
CINEMA ALTERA. Thomas Henke – Retrospektive
Die filmkünstlerische Porträtarbeit (1998–2023) von Thomas Henke und die gemeinsame Arbeit von Peggy und Thomas Henke. Mit Installationsbauten von Lorenz Estermann“
statt.
KULTUM Graz, 7.2.–8.4.2023
Kamera: Elias Rauchenberger, Adnan Babahmetovic
Weitere Informationen: KULTUM Graz