In der Sonderausstellung werden über 80 Werke zur Kunst der Neuen Sachlichkeit aus der Sammlung Frank Brabant ausgestellt – genau 100 Jahre nach der legendären Ausstellung in der Mannheimer Kunsthalle im Jahr 1925.
Tanz auf dem Vulkan – Die explosive Kunst der Weimarer Republik
Brutal war sie, diese Zeit, und sie verlangte nach einer Kunst, die nichts beschönigte. „Brutalität! Klarheit, die wehtut – fang die rasende Zeit ein!“ forderte George Grosz, jener scharfzähnige Politkünstler, der die Missstände seiner Epoche gnadenlos seziert. Doch wie lässt sich eine Zeit einfangen, die keine einheitliche Handschrift trug? Die Kunst der 1920er Jahre war ein Spiegel der zerrissenen Gesellschaft, ein Kaleidoskop aus Stilen, Themen und Perspektiven, geprägt von fieberhafter Vielfalt und unbändiger Experimentierlust.
Trotz dieser stilistischen Heterogenität gab es verbindende Elemente: eine detailgetreue, oft schonungslos realistische Darstellungsweise, die Klarheit der Linie, der strenge Bildaufbau. Viele Künstler orientierten sich an den alten Meistern, griffen auf die Lasurtechnik zurück, während sie zugleich inhaltlich den Finger in die offenen Wunden der Zeit legten. Es war die Weimarer Republik, zerrieben zwischen Hyperinflation und Weltwirtschaftskrise, zwischen politischen Extremen und dem schwelenden Trauma des Ersten Weltkriegs.
Das kulturelle Leben war ein Drahtseilakt, ein Tanz auf dem Vulkan, der 1933 ein jähes Ende fand. In dieser kurzen, fiebrigen Blütezeit aber war die Kunst unbestechlich, provokant, avantgardistisch. Sie hielt der Bourgeoisie den Spiegel vor, zeigte die zerrissene Gesellschaft in all ihrer Widersprüchlichkeit. Die eklatante Schere zwischen Arm und Reich? Georg Scholz bannte sie auf die Leinwand. Die neue Frau mit Bubikopf und Zigarette? Hanna Nagel porträtierte sie selbstbewusst und mit kühler Distanz. Die Poesie des Alltäglichen? Carlo Mense erhob sie zur Magie. Und Karl Hubbuch riss mit seinen Werken die bürgerliche Fassade nieder, zeigte den Schrecken des Sexualmords mit unerbittlicher Klarheit.
Diese Künstler verband ein unbestechlicher Blick. Ihre Werke offenbarten die Würde und Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz, ohne die harten Realitäten auszublenden. Sie spürten dem Geist ihrer Zeit nach – einer Zeit zwischen Aufbruch und Abgrund, zwischen Euphorie und Untergang. Heute, ein Jahrhundert später, haben ihre Werke nichts von ihrer Dringlichkeit verloren. Sie erinnern uns daran, dass Kunst nicht nur Abbilder schafft, sondern auch Mahnmale. Und dass Klarheit, selbst wenn sie wehtut, manchmal die einzige Antwort auf eine rasende Zeit ist.
Filmproduktion ZUMBLUM, www.zumblum.de
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