In Stadtmarketing und Tourismuswerbung mecklenburgischer Städte haben Kirchen, Rathäuser und Wohngebäude aus der Zeit der Backsteingotik einen besonderen Stellenwert. Oft werden diese mit der Hanse assoziiert, waren es doch angeblich die Kaufleute des Spätmittelalters, die diese Sakral- wie Profanbauten errichtet haben. Besonders mit den verdienstvollen Aktivitäten der Denkmalpflege nach 1989 – mit Wiederaufbauprojekten etwa in Wismar und der Ausstellungsreihe „Gebrannte Größe“ im Jahr 2002 – wurde diese Verknüpfung von Hanse und Backsteingotik im allgemeinen Geschichtsbewusstsein verankert.
Dabei hat der mittelalterliche Backsteinbau in der Architekturgeschichte lange Zeit ein Schattendasein gefristet. Auch die Assoziation mit der wirtschaftspolitischen Interessengemeinschaft der Hanse ist wissenschaftsgeschichtlich ein junges Phänomen. Entstanden ist sie in der völkischen Publizistik seit dem Ende des 1. Weltkrieges. Verbreitung gefunden hat sie vor allem durch die Geschichtspolitik der NS-Zeit.
Der Vortrag möchte die Konjunkturen dieser Vorstellung in Forschung und populärer Wahrnehmung nachzeichnen. Denn unser Blick auf die spätmittelalterliche Architektur in unseren Städten ist bis heute geprägt durch Debatten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Ein Vortrag von Prof. Dr. Gregor Rohmann (Universität Greifswald) in der Reihe Handel, Geld und Politik, organisiert von der Forschungsstelle für die Geschichte der Hanse und des Ostseeraums (FGHO) am Europäischen Hansemuseum Lübeck.
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