Literatur-Kuratorin Barbara Rauchenberger hatte am 15. März 2024 Franz Dodel und Anja Utler in der Reihe „Doppelte Gäste“ im KULTUM zu Gast. Helwig Brunner führte das anschließende Gespräch.

Seit 20 Jahren schreibt Franz Dodel an seinem einzigartigen Endlos-Poem »Nicht bei Trost«, das inzwischen auf über 52.000 Verse mit abwechselnd 5 und 7 Silben angewachsen ist.
Täglich arbeitet der Autor an dem sich wie von selbst fortspinnenden Textgewebe, das sich nicht an Ende, Ziel und suspekten Trostangeboten orientiert, sondern an der Offenheit schweifender Reflexion und sinnlich genauer Betrachtung, die sich zu einer »leichtfüßig mäandrierenden Reflexion über Gott, die Welt und das Ich« (Beat Mazenauer) fügen.

In 209 kurzen, locker an die Tradition des Haiku angelehnten Gedichten dokumentiert das Buch »Es beginnt der Tag« von Anja Utler eine tiefe geistige und emotionale Krise. Im Fokus steht die Trauer als das prägende Gefühl einer Zeit, in der die Menschen sich dem Verlust von Lebewesen, von Bewohnbarkeit und Gerechtigkeit aussetzen und ausgesetzt sehen. Ihrer poetischen Resonanz auf Leid und Zerstörungswillen stellt Anja Utler einen analytischen Essay zur Seite, in dem sie dafür plädiert, Gefühle nicht länger reflexhaft abzuwehren, sondern sie zu erforschen. Denn als Auskunftgeber über die Beziehungen in der Welt bezeugen sie nicht nur die Bedeutung (ausbleibender) gesellschaftlicher Veränderungen, sie können auch Wege zu besserem Handeln aufzeigen.

Franz  Dodel, geboren 1949 in Bern, Schweiz, lebt und arbeitet in Boll und Bern. Nach der Ausbildung zum Lehrer studierte er Theologie und promovierte über die Spiritualität der Wüstenväter. Seit 2002 schreibt er an einem einzigartigen Lyrikprojekt, das er mit „Nicht bei Trost“ überschreibt. In strenger Form wird täglich am inzwischen auf mehr als 52000 Verse angewachsenen Text weiter gewoben. Zuletzt erschienen: Nicht bei Trost. Carmen infinitum (Z. 12001-18000), Edition Korrespondenzen, Wien 2011, Nicht bei Trost. Mikrologien  (Z. 18001-24000), Edition Korrespondenzen, Wien 2014. Nicht bei Trost. Tessitura  (Z. 36001-42000), Edition Korrespondenzen, Wien 2023.  Nicht bei Trost. Sondagen (Z. 42.0001–48.000) Korrespondenzen, Wien 2024.

Im KULTUM wurde Dodel in  der Ausstellung „NICHT BEI TROST. Das Material“ (2014) gezeigt.  

Anja Utler ist Dichterin, Übersetzerin und Essayistin und lebt in Leipzig. Zuletzt publizierte sie die Bände kommen sehen. Lobgesang (Edition Korrespondenzen, 2020) und Es beginnt. Trauerrefrain (Edition Korrespondenzen, 2023), sowie Essays zum Verhältnis von Poesie und Ökologie. Anja Utlers Gedichte wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, war Gastprofessorin an der Sprachkunst der Universität für angewandte Kunst in Wien und Thomas-Kling-Poetikdozentin der Universität Bonn. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Ernst-Jandl-Preis für Lyrik 2023.

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