KULTUM-Literatur Kuratorin Barbara Rauchenberger hatte in der Lyrik-Reihe „Doppelter Gast“ am 17. November 2023 die beiden Lyriker Thomas Ballhausen und Ferdinand Schmatz zu Gast. Das anschließende Gespräch führte der Schriftsteller Helwig Brunner.

Zum Mond, am Strand – zu Thomas Ballhausen, zu Ferdinand Schmatz. Ein Abend in der Reihe „Doppelter Gast“ führt zwei herausragende Dichter zusammen, die mit ihren jüngst erschienenen Gedichtbänden „Unter elektrischen Monden“ (edition keiper, 2023) und „STRAND DER VERSE LAUF. Gedicht“ (Haymon, 2022) laufend reisen und dabei zahllose Denkschritte tun – auf der (Innen-)Suche einer wahren, erklärenden Ordnung der Welt. Sie wurzeln in dem Verhängnis als dem einzigen Gesetz der Ausdeutung und münden in eine mächtige Bejahung des Offenen.

Das Verhängnis soll dein einziges Gesetz der Ausdeutung sein, das ist die wahre, erklärende Ordnung der Welt: Verkomplizierung und Bruch führen beim Kulturphilosophen und Autor Thomas Ballhausen, einem meisterhaften Tüftler an der Wirklichkeit, geradewegs in ein wahrnehmendes Delirium. (Ich greife zu 500 mg Orpheus forte!) Wie sonst könnten wir leben in dieser Unzugänglichkeit? Die Jetztzeit wird in Ballhausens neuem Lyrikband nicht nur besichtigt, sondern mindestens ebenso auch bezichtigt, eines Besseren belehrt, wenngleich eines nicht leicht Einsehbaren, gar Schwerverständlichen. Man muss genau lesen, nicht wanken, nicht zaudern, wenn man Ballhausens Gedichte liest: Wer wen versteht? Ich das Gedicht? Oder das Gedicht mich? Man soll sie lesen und mehrmals überschlafen, sich eine Schlafzeit gönnen für ein „Welt(t)raumverständnis“, das diese Gedichte verschenken. Man staunt angesichts dieses lunazentrischen Weltbilds.

Der zweite Gast war Ballhausens einstiger Lehrer Ferdinand Schmatz, der ihn „im besten Sinne geprägt, beflügelt und immer auch herausgefordert hat – zu neuen Gedanken, zu nächsten Schritten, zu dem wichtigen Blick über die vermeintlichen Grenzen; er hat mich da immer gefördert und gefordert, das ist selten und wertvoll“. Ferdinand Schmatz‘ Literatur, die auch aus europäischer Perspektive zu den spannendsten „avantgardistischen“ Österreichs zählt, steht in Traditionen von Literaturgeschichte, die Schmatz zu transzendieren vermag, ohne sie einfach nur zu reproduzieren. Sein jüngst erschienener Gedichtband „STRAND DER VERSE LAUF. Gedicht“ (Haymon, 2022) ist ein sinnliches Langdicht, in dem der Dichter die Trias Sand, Wasser, Licht zelebriert und ein Sprachhochamt feiert zu Ehren der Vergänglichkeit, einem existenziellen Schwebezustand zwischen Barfüßigkeit und Barmherzigkeit. Die Augenweide Wasser, diese soghaften, tänzelnden Wellen (mit dem auge der wellen versuch ich zu sehen), die Muttersprache Sand, und die letzte Seite Licht als Proviant für ein Schreiben als tiefgreifendes Exerzitium. Ein permanentes Schreibtreiben zwischen Finden und Verlust, zwischen Heiterkeit und Trotz führt in eine gewaltige Bejahung des Offenen.

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