Dessau ist die Stadt der Bauhaus-Bewegung – und der Ort, an dem Oury Jalloh im Januar 2005 und Li Yangjie im Mai 2016 ermordet wurden. Hanau ist bekannt für die Gebrüder Grimm – und für den rassistischen Anschlag am 19. Februar 2020. München steht für das Oktoberfest – aber auch für das Oktoberfestattentat 1980 und den faschistisch motivierten Anschlag am OEZ im Juli 2016.
Diese Beispiele zeigen: Viele deutsche Städtenamen entwerfen unterschiedliche Landkarten, je nachdem, mit welchem Blick man auf sie schaut. Ein großer Teil der Bevölkerung assoziiert sie mit Hetze, Trauer und Mord. Die Dominanzgesellschaft muss hingegen mühsam und immer wieder von Betroffenen und Aktivist*innen an die dort geschehenen Gewaltakte erinnert werden.
Mit Asal Dardan, Naomi Henkel-Guembel, Natasha A. Kelly und Patrycja Kowalska diskutierten wir am 6. Juli 2023 im NS-Dokumentationszentrum München, warum die antisemitischen, rassistischen und antiziganistischen Verbrechen der vergangenen Jahrzehnte so wenig Raum im Gedächtnis der Dominanzgesellschaft finden – und warum sich nicht alle von dieser Gewalt betroffen fühlen: Welche historischen und auch gegenwärtigen Ereignisse werden nicht erzählt und miteinander verknüpft, obwohl sie zusammen betrachtet und erinnert werden müssten? Was geschieht und muss noch geschehen, damit die kollektive Verantwortung angenommen wird? Und wie gelingt es, dass wir einen gemeinsamen und solidarischen Blick auf die Landkarte Deutschlands werfen?
Weitere Informationen: https://www.nsdoku.de/