Erik Kessels

Er gehört zu den wichtigsten Kreativen der Welt: Erik Kessels, Mitbegründer der internationalen Agentur KesselsKramer in Amsterdam, ist nicht nur der Rockstar unter den Werbern, er ist Künstler, Kurator, Publizist und leidenschaftlicher Sammler von Fotografien. Die Ausstellung Erik Kessels & Friends im NRWForum Düsseldorf ist deutschlandweit die erste umfassende Retrospektive des niederländischen Künstlers und Werbers mit der Vorliebe für das Unperfekte und Unvollendete. Vom 12. August bis 5. November 2017 präsentiert die Retrospektive die wichtigsten Arbeiten der vergangenen 20 Jahre. Außerdem hat er fünf Freunde eingeladen, die Künstler Paul Kooiker, Joan Fontcuberta, Peter Piller, Joachim Schmid und Ruth van Beek, die mit eigenen Arbeiten in der Überblicksausstellung intervenieren.

In der Werbung geht es um das perfekte Bild. Erik Kessels langweilen perfekte Bilder. Sowohl den Künstler als auch den Werber Kessels interessieren die fehlerhaften, zufälligen und unstimmigen Fotografien, die überbelichteten und verwackelten, die mit dem Finger vor dem Objektiv, die mit missglückten Posen und schwachen Momenten – weil sie menschlich sind. Er sammelt Fotografien aller Art, die er in eigenen und fremden Fotoalben und im Internet findet. Familienalben, die heute fast automatisch etwas Melancholisches besitzen, sind ebenso sein Material wie digitale Bilder, die massenweise das Netz fluten, und von kuriosen persönlichen wie kulturellen Obsessionen zeugen. Er verändert oder manipuliert die Bilder nicht, sondern sammelt, sortiert und rekontextualisiert die Fundstücke und erzählt humorvolle Geschichten von Familien und Fremden, Zufällen und Schicksalen, von Kunst und Kommerz, vom Erinnern und Vergessen, vom Gelingen und Scheitern. Seine Arbeiten sind ein Jahrmarkt der Bildergeschichte, die Platz lassen für das Unvollendete, den Zufall, den Fehlschlag, das Unperfekte und manchmal auch sehr persönliche Einblicke in seine eigenen Familienbilder geben.

Erik Kessels: 24Hrs Of Photos © Erik Kessels

Jeden Tag ist die Welt einer Lawine neuer digitaler Fotos ausgesetzt. Für die Arbeit 24hrs In Photos hat Erik Kessels einen einzigen Tag ausgewählt und die Bilder dieses Datums ausgedruckt. Entstanden ist ein Berg von Fotos, der bis unter die Decke des Ausstellungsraumes reicht. Kessels fügt dem keine neuen Bilder hinzu, denn alles, was er benötigt, ist schon zu genüge da. Die Serie Album Beauty feiert das Fotoalbum, ein verschwindendes Objekt, das einmal einen Platz in jedem Zuhause hatte, und das heute vor allem eine Aura der Melancholie und Vergänglichkeit umgibt. In Zeiten digitaler Bilder fordert die Serie dazu auf, über eine Zeit nachzudenken, als Fotos noch selten und wertvoll waren, und darüber, was mit ihnen passiert, wenn sie „altern“ anstatt im Äther der Bilderfluten zu verschwinden.

Unfinished Father (2015) ist eines von Erik Kessels persönlichsten Projekten. Es dreht sich um ein unvollendetes Projekt seines Vaters, der, bis er einen Schlaganfall erlitt, vier Fiat 500 restaurierte. Ein fünfter blieb halbfertig zurück und bildet die Basis des Ausstellungs- und Buchprojekts, das schmerzlich darauf hinweist, dass die meisten Dinge im Leben kein Happy End haben, sondern abrupt enden und oft unvollendet bleiben. Die Serie war unter den Finalisten des Deutsche Börse Photography Prize 2016.

Die Serie Useful Photography (2002) rekontextualisiert Fotografien aus Katalogen, Betriebsanleitungen, Broschüren und Fachbüchern. Anonyme Bilder, mit denen wir jeden tag konfrontiert sind, ohne uns ihrer bewusst zu werden, die – wenn sie in einen neuen Kontext gestellt werden – ungeahnte Vielschichtigkeit beweisen und neues Interesse wecken.

Menschen, die zufällig in unsere Fotografien geraten, im Hintergrund oder am Rand erscheinen sind das Hauptmotiv der Serie Strangers in My Photoalbum (2007). Die Bilder hat Erik Kessels in seinen privaten Fotoalben gefunden, die „Fremden“ herausgestellt und vergrößert und ihnen dadurch eine neue Wichtigkeit gegeben. Obwohl sie anonym sind, werden sie Teil des eigenen Lebens. Ihre Leben sind präsent, aber ohne sich zu offenbaren. In Almost Every Picture (2002) ist eine Serie, die die kleinen Fehler in den Vordergrund stellt, die sich in beinah jedes Bild schleichen, wie der Finger vor dem Objektiv. Die Serie ist eine Sammlung rührender, humorvoller Fotografien, Intime und kuriose Momente anonymer fotografischer Erinnerungen. Der Betrachter wird zum voyeuristischen Augenzeugen, der die unbekannten Leben anhand kleiner Details rekonstruiert.

Die Ausstellung wird begleitet von einer künstlerischen Marketing-Kampagne, die Erik Kessels selbst entwirft, und so einen Teil seiner Arbeit in den öffentlichen Raum bringt. Zur Ausstellung ist die Publikation „The Many Lives of Erik Kessels“ erhältlich, die Ende April 2017 im Verlag Aperture erscheint.

Biografie

Erik Kessels, 1966 geboren, lebt und arbeitet in Amsterdam. Seit 1996 ist er Creative Director der Agentur KesselsKramer in Amsterdam, London und Los Angeles und arbeitet für nationale und internationale Kunden. Er hat eine Reihe an Buchprojekten herausgebracht wie Missing Links (1999), The Instant Men (2000), in almost every picture (2001-2013) und Wonder (2006). Seit 2000 ist er Herausgeber des Fotografie Magazins Useful Photography. Für das DVD Kunstprojekt Loud & Clear arbeitete er mit Künstlerin wie Marlene Dumas und Candice Breitz zusammen. Er schreibt für internationale Magazine, hielt Vorträge bei der D&AD Presidents Lecture und bei verschiedenen internationalen Designkonferenzen u.a. in Singapur, Goa, New York, Toronto und Bangkok. Er hat an der Gerrit Rietveld Academy und der Amsterdam Academy of Architecture unterrichtet. Er kuratierte Ausstellungen wie The European Championship of Graphic Design, Graphic Detour, Loving Your Pictures, Use me Abuse me, 24HRS in Photos und Album Beauty und co-kuratierte die Ausstellung From Here on gemeinsam mit Martin Parr, Joachim Schmid, Clement Cheroux und Joan Fontuberta. 2010 wurde er mit dem Amsterdam Prize of the Arts ausgezeichnet und 2012 wurde er zum einflussreichsten Kreativen der Niederlande gewählt. 2013 war er mit Ausstellungen vertreten im Victoria&Albert Museum in London, beim International photography festival Arles und im Museum Pier 24 in San Francisco. 2016 war er für den Deutsche Börse Photography Prize nominiert. 2015 war er bereits mit der Arbeit „My Feet“ in der internationalen Gruppenausstellung Ego Update. Die Zukunft der digitalen Identität im NRWForum Düsseldorf zu sehen.

Mehr unter www.nrw-forum.de

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