Die Erde ist ihr Medium, ihr Werkstoff, ihre Sprache: Mit ihrer ersten Einzelausstellung in Deutschland verwandelt die kolumbianische Künstlerin Delcy Morelos den Hamburger Bahnhof in einen sinnlichen Erfahrungsraum. Ihre raumgreifende Installation „Madre“ ist mehr als eine Skulptur – sie ist ein Organismus aus Erde, Licht und Duft, ein lebendiges Kunstwerk, das die Besucherinnen und Besucher umhüllt, fordert und verführt. Morelos‘ Werk, das die tiefe Verbindung von Natur und Mensch thematisiert, tritt in einen vielschichtigen Dialog mit der legendären Sammlung von Joseph Beuys, die in unmittelbarer Nachbarschaft präsentiert wird.

Die Künstlerin, geboren 1967 in Tierralta, Kolumbien, hat sich in den letzten Jahrzehnten einen Namen mit immersiven Installationen gemacht, in denen sie natürliche Materialien wie Lehm, Gras, Zimt und Nelken zu poetischen Erzählungen verwebt. Ihre Arbeiten sind nicht nur ästhetische Setzungen, sondern auch politische Reflexionen über das koloniale Erbe und die Kosmologien der Amerikas. Morelos erforscht das Potenzial der Erde als Trägerin von Geschichte, Erinnerung und regenerativer Kraft. Bereits mit ihrer ersten großen Erdarbeit „Eva“ (2012) eröffnete sie einen Dialog, der bis heute anhält – ein Dialog mit der Erde, aber auch mit uns.

Auf der Biennale von Venedig 2022 sorgte sie mit ihrer Skulptur „Earthly Paradise“ für Aufsehen. Ihre Werke wurden 2024 in bedeutenden Institutionen wie dem Dia Chelsea in New York, dem Museo Moderno in Buenos Aires und der Pulitzer Arts Foundation in St. Louis gezeigt. Nun also Berlin, der Hamburger Bahnhof. Nach Naama Tsabar und Andrea Pichl ist Morelos die dritte zeitgenössische Künstlerin, die parallel zur Sammlungspräsentation von Beuys in der Kleihueshalle zu sehen ist – eine Konstellation, die neue Perspektiven auf das Verhältnis von Kunst, Natur und Gesellschaft eröffnet.

Die Ausstellung, kuratiert von Catherine Nichols mit Assistenz von Agnes Rameder, wird von einer neuen Ausgabe der Katalogreihe des Hamburger Bahnhofs begleitet. Wer sich auf „Madre“ einlässt, erlebt Kunst nicht nur mit den Augen, sondern mit allen Sinnen – und wird vielleicht mit einem veränderten Blick auf die Erde, die uns trägt, wieder hinaustreten.

Mehr unter: www.smb.museum

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