2025 erinnert das Landesmuseum Württemberg im Kloster Schussenried an den Bauerkrieg 1524/25. Die Ausstellung „UFFRUR! Utopie und Widerstand im Bauernkrieg 1524/25“ beleuchtet die politischen, ökonomischen, sozialen wie auch die geistig-religiösen Aspekte der Umbruchszeit des frühen 16. Jahrhunderts. Interessante und wertvolle Exponate, die voller spannender Geschichten stecken, bringen den Besucher*innen der Ausstellung die Lebenswelten der damaligen Menschen, die Voraussetzungen des Aufstandes und die Abläufe des Bauernkriegs näher.
Ein zentrales Objekt der Schau in Bad Schussenried ist die „Weißenauer Chronik”, ein einzigartiges „Bilderbuch“, das die brutalen Auseinandersetzungen des Jahres 1525 rund um das Kloster Weißenau festhält. Die Handschrift bietet mit ihren detaillierten Beschreibungen und elf eindrucksvollen Federzeichnungen eine lebendige Darstellung der Ereignisse, insbesondere der zeitlichen Abfolge der einzelnen Phasen und der Dynamik des Bauernkriegs. So macht die Chronik das Geschehen aus der Perspektive des Weißenauer Abtes anschaulich nachvollziehbar.
Das Kloster Schussenried, Spielort der Großen Landesausstellung, liegt in Oberschwaben, einem der regionalen Schwerpunkte der Erhebungen. Auch das Kloster selbst war von den Unruhen betroffen: Am 29. März 1525 wurde es von aufständischen Bauern verwüstet, was später in der Hauschronik der Mönche in lebhaften Farben geschildert wurde. Auf 900 Quadratmetern wird das Publikum in die Dynamik der Ereignisse hineingezogen. Die Ausstellung präsentiert die Geschichte des Bauernkriegs auf Grundlage des neuesten wissenschaftlichen Forschungsstandes. Dabei öffnen sich für die Besucher*innen spannende Einblicke in die Welt um 1500. Neben rund 200 Originalexponaten, wie Gemälden, Skulpturen, Kupferstichen, Flugschriften, Alltagsgegenständen und Waffen, werden erstmals neue und höchst spannende Erkenntnisse der sogenannten Schlachtfeld-Archäologie präsentiert.
500 Jahre Bauernkrieg – im ganzen Südwesten kämpften die Bauern damals um Freiheit, Menschenrechte, Partizipation und ein besseres Leben. Im Kampf gegen die Ausbeutung und Unterdrückung durch Adel und Klerus griffen sie schließlich auch zu gewaltsamen Mitteln, organisierten sich und standen in Waffen den Heeren des Adels gegenüber. Zahlreiche Burgen und Klöster wurden geplündert und niedergebrannt. Doch die Gegenseite behielt am Ende die Überhand: Zehntausende Bauern, und sicher auch zahlreiche Bäuerinnen, fanden den Tod. Es war der größte Aufstand, den Europa bis dahin gesehen hatte.
Was 1524 als lokale ‚Empörung‘ zwischen Schwarzwald und Bodensee begann, wurde zum Flächenbrand. Bald waren Oberschwaben, Württemberg und Franken, das Elsass, Thüringen, Tirol und andere Regionen in Aufruhr. An Ostern 1525 überschlugen sich die Ereignisse. Sie zeigen, wie verschieden die Aufständischen dachten, handelten und protestierten. Ihre Vorstellungen und Ziele reichten vom Widerstand gegen herrschaftliche Willkür bis hin zur Utopie einer Gesellschaft ohne Herren. Auch Frauen waren beteiligt: Sie führten aufrührerische Reden, verbreiteten Neuigkeiten oder plünderten Klöster. Ein so gewaltiges und gewaltsames Ereignis wie der Aufstand der Jahre 1524/25 ließ niemanden unberührt. Alle waren betroffen: Reiche und arme Bäuer*innen, die Handwerker*innen in den Städten, der Klerus oder die niederadligen Ritter – die nicht selten mit den Bäuer*innen sympathisierten. Und schließlich der hohe Adel und die Fürsten, die versuchten, die scheinbar gottgewollte Ordnung wiederherzustellen.
Der Aufstand brachte seine eigene Emotionalität mit. In der Gemeinschaft fühlten sich die Bäuer*innen als Brüder (und Schwestern), die Verzweifelten wurden mutig, Freiheit war spürbar, Wut nahm einen bedeutenden Raum ein. Eine prominente Rolle in der Ausstellung spielen dabei acht Personen die am Bauernkrieg beteiligt waren und mittels Künstlicher Intelligenz zum Leben erweckt werden, darunter Georg Truchsess von Waldburg, Götz von Berlichingen, Stefan Rahl, Anführer der Bauern des Klosters Weißenau oder die Ratgeberin des Neckartaler Haufens, Margarete Renner. Sie laden die Besucher*innen ein, ihre Perspektive einzunehmen, indem sie hautnah und emotional von den damaligen Geschehnissen berichten: Von den Ungerechtigkeiten, die sie erfahren haben, von ihren Gewissenskonflikten, von Mut und Hoffnung, von ihrer Sicht auf die Ordnung der Dinge und die Ordnung der Gesellschaft. In einem aufwändigen kuratorischen Prozess wurden die von der KI geschaffenen acht Storytelling-Figuren wiederholt diskutiert und angepasst. Als Kunstfiguren konzipiert, lassen sie deutlich erkennen, dass ihre Darstellung nicht auf eine vermeintlich historische Korrektheit zielt, sondern auf das Herausstellen von Charakteristika, die einen Bezug zur heutigen Erfahrungswelt aufweisen.
Und heute?
Hatten die Bäuer*innen nach ihrer Niederlage nichts erreicht? Gilt das Gedenken den Opfern einer verlorenen Sache? Nein, denn eine gerechte Gesellschaft muss immer wieder von neuem erkämpft werden. Damit hat der ‚Uffrur‘ der Jahre 1524/25 seinen Platz in der Geschichte des Ringens um Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Die Ausstellung beleuchtet nicht nur die politische Streitkultur der damaligen Zeit und mögliche Konfliktlösungsstrategien. Auch die Frage, was für uns die aufständischen Bauern heute noch bedeuten, und was wir für die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit lernen können, wird in der Ausstellung immer wieder angesprochen.
Die Große Landesausstellung 2024/25 „500 Jahre Bauernkrieg“ des Landesmuseums Württemberg umfasst neben der kulturgeschichtlichen Ausstellung „UFFRUR!“ im Kloster Schussenried vier weitere Projekte: die Erlebnisausstellung „PROTEST! Von der Wut zur Bewegung“ im Alten Schloss in Stuttgart (noch bis 4.5.2025), die Mitmachausstellung „ZOFF!“ im Stuttgarter Kindermuseum Junges Schloss (bis 3.8.2025), das digitale Projekt „LAUTseit1525“ (bis Herbst 2025) und das mobile Format „UFFRUR! …on the road“, das von Mai bis Oktober 2025 an zahlreiche Stationen im ganzen Land reist und mit einem unterhaltsamen Programm die historischen Ereignisse vor Ort zum Leben erweckt.
Mehr unter: www.landesmuseum-stuttgart.de