Eduard Mörike baut in den letzten beiden Strophen seines Sonetts „Verzweifelte Liebe“(1828, aus den Peregrina-Gedichten) durch die Häufung von Fragezeichen, Ausrufezeichen und Gedankenstrichen regelrechte Seufzerstellen ein.

Die Liebe, sagt man, wird am Pfahl gebunden,
Geht endlich arm, verlassen, unbeschuht;
Dies edle Haupt hat nicht mehr, wo es ruht.
Mit ihren Thränen nezt sie ihre Wunden.

So hab auch ich die Liebe jüngst gefunden;
Schön war ihr Wahnsinn ihrer Wange Gluth,
Noch scherzend in der Frühlingsstürme Wuth
Und wilde Kränze in das Haar gewunden.

Wie? solche Schönheit? konnt ich einst verlassen?
So kommt nun doppelt schön das alte Glück!
O komm, in diese Arme Dich zu fassen!

Doch wehe! welche Miene, welch ein Blick!
Sie küßt mich zwischen Lieben, zwischen Hassen, –
Sie kehrt sich ab und – kehrt mir nie zurück!

Für die Ausstellung „Hölderlin, Celan und die Sprachen der Poesie“ hat Hanns Zischler Hölderlins Gedichte nach den Manuskripten eingelesen. Da die Ausstellung zur Eindämmung von Covid-19 zur Zeit geschlossen ist, liest er in den nächsten Monaten noch mehr Poesie; Hölderlin, aber auch Schiller, Goethe, Klopstock, Mörike, Kerner, Rilke, Hofmannsthal, Benn, Celan … Woche für Woche ein, zwei oder drei Gedichte als Geschenk. Passend dazu werden wir auf den social-media-Kanälen des Deutschen Literaturarchivs Marbach Objekte aus dem Archiv vorstellen.

Film und Copyright: Thomas Ladenburger (Kamera, Ton) und Hanns Zischler (Sprecher) im Auftrag des Deutschen Literaturarchivs Marbach.

Mehr unter: www.dla-marbach.de

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