Ausstellung im LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen 30.10.2015−3.4.2016
Die Ausstellung zeigt die Tradition chemischer Forschung und die Entwicklung des chemischen Labors – von der mittelalterlichen Probierkunst über Praxis-, Wissenschafts- und Forschungslabore bis zum futuristischen Theorielabor. „Besucher erleben den Wandel von einer durch Alleskönner betriebenen Kunst hin zu einer arbeitsteiligen, durch Großgeräte und Spezialisten geprägten Wissenschaft“, erklärte Jan Dübbers vom Carl Bosch Museum Heidelberg am Donnerstag (29.10.) in Hattingen.
Die Schau folgt diesem Weg über neun Stationen; an einer von ihnen geht es speziell um die Henrichshütte. Dort war Chemie überall: Ein Hochofen verwandelt Erz, Koks und Kalk in Eisen, Gas und Schlacke. Ein Stahlwerk macht aus sprödem Eisen schmiedbaren Stahl. „Am Beispiel der hiesigen Qualitätsprüfung zeigen wir wie sich die Arbeitswelt des Labors entwickelt und differenziert hat“, erläutert Astrid Blum, wissenschaftliche Volontärin am LWL-Industriemuseum, die den Hattinger Teil der Schau kuratiert hat. Originalexponate verdeutlichen die Fortschritte der Analysetechnik. Mit ihrer Hilfe konnten auf der Henrichshütte spezielle Stähle mit besonderen Eigenschaften entwickelt werden.
Hintergrund
Der Streifzug durch das chemische Labor beginnt bei der mittelalterlichen „Probierkunst“ der Hüttenleute. Typische Arbeitsmittel waren Tiegel zum Schmelzen der Erze und Metalle, Probierscherben und Kupellen zum Abtrennen der Edelmetalle vom Blei sowie Scheidekolben zum Trennen von Gold und Silber.
Auch in der praktischen Kräuterkunst wurden Verfahren ausprobiert. Ziel war, optimale Verfahren zur Gewinnung der in Pflanzen und Tieren enthaltenen medizinisch nutzbaren Stoffe zu entwickeln. Hierzu bediente man sich der Arbeitsmittel, die auch in der handwerklichen Produktion eingesetzt wurden: Phiolen zur Aufbewahrung flüchtiger Stoffe, Brennkolben und Galeerenöfen zur Destillation. Diese mittelalterlichen Produktionsstätten mit ihrer Probierkunst sind die Urzellen des chemischen Labors.
Nachgestellt wird in der Ausstellung auch ein Labor alchemistischer Goldmacher – eine geheimnisumwitterte Alchimistenküche mit offener Feuerstelle, gekennzeichnet durch verrußte Wände und vergitterte Fenster. Diese Station erinnert auch daran, dass Goldmacher oft unter Zwang an fürstlichen Höfen gehalten wurden und ihre Probierküche einem Gefängnis glich.
Bis zum 19. Jahrhundert gab es den Beruf des Laboranten nicht. Praktiker des chemischen Gewerbes und Hobbychemiker, oft Mediziner, Theologen oder Juristen, experimentierten in technisch karg ausgerüsteten Arbeitsräumen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse wurden von den aufklärenden Enzyklopädisten aufgenommen und ausführlich publiziert.
Mit Beginn des 19. Jahrhunderts erhielt das Labor für die industrielle Nutzung eine neue wirtschaftliche Bedeutung. So verwundert es nicht, dass Justus Liebig (1803-1873), „Vater der modernen Chemie“, nicht nur forschender Chemiker, sondern auch Unternehmer war, der Chemiewerke gründete. Diese wurden im 19. Jahrhundert zu Kumulationspunkten forschender Chemiker. Eine umfangreiche Modellsammlung der Arbeitsmittel erinnern an den Einfallsreichtum und das handwerkliche Können jener Zeit.
Heute steht das fast menschenleere Untersuchungslabor für formalisierte Prozessabläufe mit hochentwickelter Labortechnik dem Theorielabor, geprägt durch verstärkten Einsatz von Computern, diametral gegenüber. Ein Videofilm verweist auf die Monotonie der Roboterarbeit und am Computer können Besucher ihre eigenen chemischen Fantasien virtuell entstehen lassen.
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