Das Schreiben und Austauschen von Briefen bedeutete für die Niederländer im 17. Jahrhundert die Öffnung zur Welt. Für eine Seefahrer- und Handelsnation, deren Bewohner zu einem beträchtlichen Teil und oft jahrelang auf Reisen waren, gehörte der Briefverkehr zu den Voraussetzungen einer florierenden Wirtschaft und eines funktionierenden Gemeinwesens. Zudem entwickelte sich das Verfassen von Liebesbriefen, befördert durch das Erscheinen gedruckter Anleitungen, zu einer weitverbreiteten Mode. Unter den sechs Gemälden Vermeers, in denen er sich dem populären Thema gewidmet hat, stehen sich die Dresdner »Briefleserin« und die »Briefleserin in Blau« besonders nahe.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts wurden detailreiche Darstellungen häuslicher Szenen mit weiblichen Figuren modern. Das Motiv des Spiegels – Symbol für Selbsterkenntnis aber auch Warnung vor Eitelkeit und Stolz – zählt zu den wiederkehrenden Bildelementen jener Jahre. Die Möglichkeit, die Bilderzählung durch die kompositorische Einbeziehung des Spiegelbildes zu erweitern, stellte eine reizvolle künstlerische Herausforderung dar. Das Spiegelmotiv findet sich in mehreren Gemälden Vermeers, insbesondere der Dresdner »Briefleserin« sowie in den Werken vieler seiner Zeitgenossen.

Die Liebesthematik ist in der holländischen Genremalerei seit der Mitte des 17. Jahrhunderts allgegenwärtig. Interieurszenen mit einzeln oder gemeinsam musizierenden Personen oder mit Paaren beim Festschmaus, aber auch Schilderungen des unverhohlenen Liebeswerbens sind charakteristisch für das Schaffen von Künstlern wie Gabriel Metsu, Frans van Mieris oder Pieter van Slingelandt.

Johannes Vermeer begann seine Karriere als Maler von Historienbildern. Mit seinem Gemälde »Bei der Kupplerin« wandte er sich kurz darauf einer neuen Gattung zu: der Genremalerei. Er setzte sich dabei mit der Bildtradition der Utrechter Caravaggisten auseinander, holländischen Malern, die in Italien die Werke Caravaggios studiert hatten. Mit der Entscheidung für intime Themen der Genremalerei war er um 1657–1659 bei seinem eigentlichen künstlerischen Gegenstand angekommen.

Mehr unter: www.skd.museum/vermeer

Abonniere unseren Newsletter