Ernst Barlach Museum Ratzeburg 13. März bis 19. Juni 2016
Der spanische Maler Jorge Rando (geb. 1941) gilt in seinem Land als der bedeutendste Vertreter der neoexpressionistischen Malerei. Seine durchaus eigenwillige Revitalisierung des Expressionismus will das Geistige, die spirituelle Kraft als Orientierung in der Welt neu sichtbar machen.
Rando, der nach seinem Philosophiestudium in Málaga nach Deutschland geht und 23 Jahre in Köln lebt, begreift den Expressionismus als Kunstkonzept von aktueller Bedeutung. Es ist der deutsche Expressionismus, der ihn anzieht, den er sucht, für den sein Herz brennt. Es ist Nolde, es sind die Brückekünstler, aber es ist auch der Blaue Reiter, in deren Bilder er sich vertieft. Nicht die Befreiung des Ichs, die kompromisslose Subjektivität, interessiert ihn. Die Suche nach dem Transzendenten, dieses vehemente Ringen um eine Wahrheit, diese letzte Wahrheit, die uns heute überall ausgeredet wird, will Jorge Rando malen.
Spanien kannte den Expressionismus kaum und die Entwicklung der spanischen Moderne ist eine vielfach gebrochene, verzögerte und traumatisierte Sondergeschichte in Europa. Die berühmtesten spanischen Künstler der klassischen Moderne arbeiten im Exil. Als die großen Länder des Westens zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in die so vermutete „goldene Zukunft“ aufbrechen, versinkt dieses über viele Jahrhunderte mächtige Land im Chaos. Es hatte in den späten 1890er Jahren fast alle Kolonien verloren und aus dem goldenen Reich der niemals untergehenden Sonne, das mit einer faszinierenden Kunstgeschichte die Moderne vorbereitet hatte, wird bis zum Ende der Franco-Diktatur 1975 eine in politischen und ideologischen Gegensätzen stagnierende Gesellschaft. Dabei ist Spanien in den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts ein Labor für die internationale Linke und insbesondere für die Anarchisten, jene am meisten verfolgten Freiheitskämpfer der Welt. Bis zum Ende des Franco-Regimes und in der Erinnerung bis heute geht ein Riss durch die spanische Gesellschaft voller Verletzungen und Verbrechen aneinander. All das trägt Jorge Rando in sich und in seine Kunst. Zugleich reflektiert er die tiefen religiösen Wurzeln seiner Kultur, fokussiert die Divergenz zwischen Katholizismus und spiritueller Mystik und sucht ihre Sprache in der Gegenwart.
Liebe, so Erich Fromm, „ist nicht nur ein Geben, ihr aktiver Charakter zeigt sich darin, dass sie in allen ihren Formen stets folgende Grundelemente enthält: Fürsorge, Verantwortungsgefühl, Achtung vor dem anderen und Erkenntnis.“ So könnte das Credo von Jorge Rando beschrieben werden. Als er 1984 nach Spanien zurückkehrt, beginnt er, Bilder der Passion zu malen, Bilder der Hoffnung auf Versöhnung und Zukunft, aber auch Bilder der Empörung und Wut.
Randos Expressionismus fordert uns heraus. Die Farben des Südens und die kollektiven Erinnerungen des Scheiterns, die transparenten Schichtungen und Bündelungen des Lichts, die Freude am Menschlichen wie am Göttlichen und das Risiko eines Hoffen-Wollens in einer Zeit, die den Gestaltungswillen des Menschen den globalen wirtschaftlichen und politischen Kräften übergeben hat, bestimmen seine Bilder. Das ist Randos Passion, wie es vor 600 Hundert Jahren der Mystiker Juan de la Cruz formuliert hat: „Lege Liebe hinein, wo keine Liebe ist, und du wirst Liebe gewinnen. Nicht daran leiden wir Mangel, dass wir nicht schreiben und sprechen können, denn für gewöhnlich haben wir davon übergenug; es fehlt uns, dass wir nicht schweigen und handeln können.“
Randos Bilder halten uns den Spiegel vor: Wir haben nicht viel Zeit, wir müssen aus der Moderne lernen! Die Bilder Jorge Randos sprechen eine irritierende Botschaft der Versöhnung aus.
Mit der Ausstellung Jorge Rando – Passion setzt die Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg den Dialog mit europäischen und internationalen Künstlern fort und vergibt den Ernst Barlach Preis 2016 an den spanischen Künstler Jorge Rando. Gerade im Hinblick auf die Herausforderungen an Europa ist es mehr denn je geboten, sich der kritischen Befragung von Geschichte und Identität zu stellen auch und gerade in der Kunst
Kuratorin: Heike Stockhaus. Juror: Prof. Robert Lucander, Universität der Künste Berlin. Die Ausstellung wird realisiert in Kooperation mit dem Museum Jorge Rando in Málaga.
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