Braque, Picasso, Gris: Die Ausstellung Kahnweiler & Rupf. Eine Freundschaft zwischen Paris und Bern im Kunstmuseum Bern zeigt vom 22. November 2024 bis 23. März 2025 wichtige Werke von Begründern des Kubismus und beleuchtet die aussergewöhnliche Freundschaft zwischen dem Pariser Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler und dem Berner Kaufmann und Sammler Hermann Rupf.
In Paris lebte der Kunsthändler Daniel-Henry Kahnweiler (1884–1979), der mit Gemälden von Pablo Picasso, Georges Braque und Juan Gris handelte – in Bern der Kaufmann Hermann Rupf (1880–1962), der am Waisenhausplatz Posamente, Knöpfe und edle Schals verkaufte. Durch die aussergewöhnlicheFreundschaft zwischen den beiden Protagonisten ist ab 1907 die Sammlung Rupf entstanden, die heute im Kunstmuseum Bern deponiert ist. Der enge Kontakt zwischen den beiden überdauerte widrige Umstände. Er blieb selbst dann bestehen, als Kahnweilers Familie 1940 im Zuge der deutschen Besatzung und in derFolge des entfesselten Antisemitismus aus Paris fliehen und später sogar untertauchen musste. Die Ausstellung zeigt Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen aus der Sammlung Rupf, darunter Werke von Pablo Picasso, Juan Gris, Georges Braque, André Derain und Paul Klee. Darüber hinaus öffnet sie erstmals den persönlichen Briefwechsel zwischen Rupf und Kahnweiler aus den prekären Jahren 1933 bis 1945 und beleuchtet die Sammlung so unter den Vorzeichen einer Freundschaft in aussergewöhnlichen Zeiten.
Eine Freundschaft zwischen Paris und Bern
Daniel-Henry Kahnweiler und Hermann Rupf lernten sich im Jahr 1901 während ihrer Ausbildung in Frankfurt kennen. In ihrer Freizeit entdeckten sie ihre gemeinsame Leidenschaft für die Kunst, die sie ein Leben lang begleiten sollte. Während Rupf ab 1905 in Bern als Kaufmann tätig war, eröffnete Kahnweiler 1907 eine Kunstgalerie in Paris – der erste Sammler war Rupf. In der darauffolgenden Zeit machte sich Kahnweilers Galerie bald einen Namen mit Vertretern des Kubismus wie Picasso und Braque, deren Werke von Anfang an auch in die Sammlung Rupf eingeflossen sind. Die Verbindung zwischen den beiden Freunden beschränkte sich aber nicht auf den Rahmen der Kunst: Als 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, lud Hermann Rupf seinen Freund zu sich nach Bern ein. Kahnweiler, der als deutscher Staatsbürger seine Galerie in Paris nicht weiterführen konnte, kam der Einladung nach und blieb während der Kriegsjahre in der Schweiz. Diese enge Freundschaft sowie der stete Dialog über Kunst
führten über die Jahre hinweg zur Entstehung einer einzigartigen und hochkarätigen Sammlung.
Meisterwerke der Moderne
Mit ihrer Entstehung ab 1907 bietet die Sammlung Rupf einen besonderen Blick auf die Moderne. Sie widerspiegelt in einzigartiger Weise die Anfänge der künstlerischen Avantgarde und insbesondere die Geschichte des Kubismus. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 konnte Rupf bereits eine auserlesene Gruppe von 30 Kunstwerken bei Kahnweiler erwerben. Neben Arbeiten der Fauves befanden sich darunter auch Gemälde von Picasso und Braque, die heute zu den Ikonen des Kubismus gehören. In den 1920er-Jahren gelangten sowohl Werke von Fernand Léger als auch eine repräsentative Gruppe von Gemälden des jung verstorbenen Kubisten Juan Gris über Kahnweiler zu Rupf. Diese grosse Werkgruppe von Gris gehört zu den Schwerpunkten der Sammlung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Werken Paul Klees, darunter etwa das berühmte Niesen-Aquarell (1915). Dank Rupf kam Kahnweiler während seiner Zeit in Bern in Kontakt mit Klee, für den er ab 1934 sogar die Generalvertretung übernahm. Die Verfemung moderner Kunst und Verfolgung moderner Künstler:innen durch die Nationalsozialisten hatte auch Auswirkungen auf den Kunstmarkt in der Schweiz. So fand 1939 die berühmt-berüchtigte Auktion sogenannter „Entarteter Kunst“ aus deutschem Museumsbesitz in Luzern statt, deren Erlöse dem deutschen Regime zuflossen. Im Nachverkauf erwarb Rupf trotz Vorbehalten August Mackes Gemälde Gartenrestaurant (1912).
Bisher unveröffentlichte Briefe
«Wenn der Krieg mehrere Jahre andauert, muss das Leben nebenbei trotzdem einigermassen normal
weitergehen.» Rupf an Kahnweiler, 27.4.1940
«Wir sind mitten in entscheidenden Stunden. Das Schicksal unserer Zivilisation, unserer Welt, ja von uns
allen steht auf der Kippe. Ich bewahre dennoch mein volles Vertrauen.» Kahnweiler an Rupf, 27.5.1940
Diese Worte schrieb Kahnweiler am 27. Mai 1940 an Rupf, nachdem die deutsche Wehrmacht in Frankreich rasch gegen Paris vorgestossen war. Kurz vor der Besetzung von Paris konnte Kahnweiler im Juni 1940 gemeinsam mit seiner Frau Lucie nach Limousin im vorerst noch unbesetzten Süden Frankreichs fliehen. Von dort erreichten Rupf in Bern rund 40 lange, vielfach sehr persönliche Briefe, die im Rahmen der Ausstellung erstmals publiziert werden. Um nicht aufzufallen, sind sie auf Französisch verfasst und berichten nicht von Politik, sondern vom Leben auf dem Land, von der Emigration von Freunden, von Ängsten und Krankheiten – und von der intensiven Beschäftigung mit Fragen der Kunst. Kahnweiler widmete seine Zeit in seiner Zuflucht insbesondere Juan Gris, über den er eine grundlegende Monografie schrieb, die kurz nach dem Krieg erscheinen konnte. Rückblickend umschrieb er diese Zeit mit einem denkwürdigen Paradox: «das Paradies im Schatten der Krematorien».
Im August 1943 brach der Briefwechsel zwischen Kahnweiler und Rupf abrupt ab. Als Jude verfolgt, entkam Kahnweiler nur mit knapper Not der Verhaftung durch die Gestapo und musste untertauchen. Er meldete sich erst am 16. Dezember 1944 wieder aus Paris.
Neben den hervorragenden Kunstwerken aus der Sammlung Rupf macht die Ausstellung diesen Briefwechsel zwischen den beiden Freunden sicht- und mit einer Audiostation hörbar. Dabei entsteht nicht nur ein neuer Einblick in das Leben und Denken eines der grössten Kunsthändler seiner Zeit, sondern auch ein berührendes Porträt einer tiefen und lebenslangen Freundschaft.
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