Die Wiener Porzellan-Szene um 1904 – Die Porzellansammlungen in Wien im 20. Jh. als gesellschaftliches Phänomen im Lichte der Provenienzforschung

Leonhard Weidinger, Historiker, Provenienzforscher am MAK im Auftrag der Kommission für Provenienzforschung und Multimedia Producer

Nachdem bereits im Herbst 1903 über 830 Objekte der Wiener Porzellanmanufaktur im Kaiser Franz Josef-Museum für Kunst und Gewerbe in Troppau ausgestellt worden waren, zeigte das k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie, das heutige MAK, von März bis Mai 1904 in seiner „Ausstellung von Alt-Wiener Porzellan“ über 2300 Stücke jener Manufaktur, die 1718 von Claudius Innocentius du Paquier gegründet und 1864 aufgelöst worden war. Mit diesen beiden Ausstellungen und dem daraus hervorgegangenen Werk zur Geschichte der k. k. Wiener Porzellanmanufaktur von Josef Folnesics und Edmund Wilhelm Braun manifestierte sich eine „Wiener Porzellan-Szene“, die ihr Interesse an den Erzeugnissen der zweitältesten europäischen Porzellanmanufaktur verband.

Diese „Wiener Porzellan-Szene um 1904“ war ein Netzwerk von SammlerInnen, HändlerInnen, Museumsfachleuten und anderen ExpertInnen, das sich im dritten Drittel des 19. Jahrhunderts entwickelte. Getragen wurde das Netzwerk in erster Linie von Einzelpersonen – auch innerhalb der Museen. Deshalb, aber auch aufgrund der historischen Entwicklungen der Zwischenkriegszeit, löste sich dieses Netzwerk in den 1920er und 1930er Jahren sukzessive auf, die Vertreibung von SammlerInnen nach dem Anschluss Österreichs an NS-Deutschland und die Entziehung und Zerschlagung ihrer Sammlungen setzte einen Schlusspunkt.

Um dieses Netzwerk zu analysieren, ist es notwendig, sowohl die beteiligten Personen und als auch deren Beziehungen untereinander in den Blick zu nehmen. In meinem Beitrag will ich versuchen, Grundlagen und Methoden für eine Aufarbeitung dieses Netzwerks zur Diskussion zu stellen. Zu einigen Personen der „Wiener Porzellan-Szene um 1904“ liegen Publikationen vor, hier konnte auch die Provenienzforschung zu in der NS-Zeit entzogenen Objekten seit 1998 Beiträge liefern. Für weitere Forschungen ist es notwendig, im breiten Rahmen historische Quellen zu erfassen, zu analysieren und zu kontextualisieren: Museumsfachleute werden durch ihre eigenen Publikationen, durch Kataloge und Archivalien fassbar. SammlerInnen scheinen als LeihgeberInnen für Ausstellungen auf. Auktionskataloge sind wesentliche Quellen, vor allem dann, wenn Sammlungen zur Gänze bzw. in großen Teilen versteigert wurden. Bisher noch wenig berücksichtigt sind Fotobestände, wie jener von in der Ausstellung von 1904 gezeigten Objekten, die ich vor einigen Jahren in der Kunstblättersammlung des MAK identifizieren konnte. Ebenso wesentlich ist die Einbeziehung von Zeitungen und Zeitschriften, Almanachen und Handbüchern, die durch die Unterstützung digitaler Techniken zu neuen Ergebnissen führen kann.

Leonhard Weidinger: selbständiger Historiker und Multimedia/Web-Producer in Wien. Seit 2005 Provenienzforscher im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst, 2011–2013 Mitarbeit am Projekt German Sales 1930–1945. Seit 2014 im Vorstand des Arbeitskreises Provenienzforschung e.V. Mitherausgeber der Bände 1 (2009) und 2 (2010) der Schriftenreihe der Kommission für Provenienzforschung. Diverse Publikationen und Produktionen in verschiedenen Medien. Lehraufträge an der Universität Wien. Forschungsschwerpunkte: österreichische Kulturgeschichte im 20. Jahrhundert, digitale Medien in der Geschichtswissenschaft.

► Gesamtes Programm: http://ow.ly/Yn7BY

____________________

Conference on the Start of Academic Preparations for the Exhibition “300 Years of the Wiener Porzellanmanufaktur” in 2018 at the MAK | 15 and 16 October 2015

The Viennese porcelain scene around 1904: porcelain collections in Vienna in the 20th century as a social phenomenon in light of provenance research

Leonhard Weidinger, historian and provenance researcher at the MAK commissioned by the Commission for Provenance Research, and multimedia producer

► Detailed Program: http://ow.ly/Yn8bW

Abonniere unseren Newsletter