Julia Schneider und Verena Staak zum Kurzfilm Hit the Beat“
Julia Schneider und Verena Staack, beide für Bildungs- und Vermittlungsprojekte in den Museen des Deutschen Literaturarchivs Marbach zuständig, beide bislang nur lesend mit dem afrikanischen Kontinent in Berührung gekommen. Umso schöner, dass wir vor einigen Monaten Kontakt zum Stuttgarter Verein „Hit the beat“ bekamen, der in interkulturellen Bildungsprojekten mit Musik, Tanz und Bewegung junge Menschen vor allem aus Namibia, Südafrika und Deutschland zusammenbringt. Im September fand eine Konzerttournee von 24 Schülern aus der Waldorf School Windhoek durch Deutschland statt. Zur selben Zeit hatten wir 20 Jugendliche aus ganz Baden-Württemberg im Rahmen der Kulturakademie Baden-Württemberg der Stiftung Kinderland bei uns auf der Schillerhöhe. Eine gute Gelegenheit also, einen Austausch zwischen den namibischen und deutschen Jugendlichen anzustoßen.
Film: zimmermannfilm,
Sami Tchak über sich: Sami Tchak ist ein Pseudonym für Sadamba Tcha-Koura. Ich wurde 1960 in Togo geboren, erwarb dort meine Licence in Philosophie und verteidigte 1993 meine Dissertation in Soziologie an der Universität Sorbonne-Paris V. Seit einigen Jahren widme ich mich dem Schreiben. Zu meinen Veröffentlichungen gehören Place des Fêtes (2001; dt. Scheiß Leben, 2004) Hermina (2003), La fête des masques (2004), Le paradis des Chiots (2006), Filles de Mexico (2008). Al Capone le Malien (2011), La couleur de l’écrivain (2014), Ainsi parlait mon père (2018), Les fables du moineau (2020). Seit 1986 lebe ich in Frankreich. Afrika, dieser Kontinent, auf dem sich mein Land, Togo, befindet, ist für mich eine Selbstverständlichkeit, aber auch der Ort meiner vielfachen Unkenntnis. Eine Selbstverständlichkeit, weil ich Afrikaner bin, weil ich von diesem Kontinent herstamme. Ort meiner vielfachen Unkenntnis, weil es ein riesiger Kontinent mit 56 Staaten und Hunderten von Völkern ist, deren Kulturen sich nicht in allen Punkten ähneln. Afrika ist mein Kontinent, aber erst in den Büchern, viele davon von Europäern verfasst, habe ich gelernt, es ein bisschen kennenzulernen. Meine zahlreichen Reisen in mindestens 20 afrikanische Länder haben mir weitere Eindrücke geschenkt. Afrika ist der Kontinent, von dem ich komme, aber bis zum Ende meines Lebens wird es für mich eine Realität sein, die ich nur in Bruchstücken kennen werde. Folglich werde ich nicht sagen „bei uns in Afrika“. Selbst mein kleines Dorf ist von einer großen Komplexität, und ich bräuchte ein ganzes Leben, um zu versuchen, sie zu verstehen.
Jennifer Nansubuga Makumbi über sich: Ich bin Jennifer Nansubuga Makumbi, eine Schriftstellerin aus Uganda. Mein erster Roman, Kintu, ist ein historischer Roman. Der zweite ist eine Sammlung von Kurzgeschichten aus der Zeit der Diaspora, Manchester Happened. Mein dritter, Die erste Frau, ist ein feministischer Roman und erscheint dieses Jahr. Afrika ist Zuhause. Es ist ein Ort der Liebe, der Schönheit, des Essens, der Musik, des Tanzes, der Fantasie und der großen Familien. Aber es auch ein Ort des Schmerzes, der Absurditäten, der Verschwendung und der schieren Frustration. Afrika wurde von Nicht-Afrikanern falsch beschrieben, falsch dargestellt und falsch verstanden.
Ildevert Méda über sich: Mein Name ist MEDA Ildevert. Ich bin Künstler, Dramatiker, Bühnenregisseur und Schauspieler. Ich bin der Direktor einer kleinen Theatergruppe namens théatr’Evasion, die 1996 gegründet wurde. Heutzutage verbringe ich meine Zeit damit, Workshops anzubieten, in denen ich Dramatik, Schauspiel und Bühneninszenierung lehre. Die Regierung von Burkina Faso bittet mich oft darum, an Projekten zur Lehre von Kunst und Kultur an Schulen mitzuwirken. Afrika steht für mich für die Zukunft der Menschheit. Da ist der Grund dafür, warum ich dafür entschieden habe, hier in Afrika zu leben und meine Arbeit weiter zu entwickeln. Wenn ich beobachte, was in der Welt vor sich geht, fällt mir auf, dass die ständige Suche nach der Anhäufung von materiellen Werten und nach Selbstermächtigung dazu führt, dass menschliche Werte verloren oder vergessen werden. Leider beobachte ich, dass Afrika sich seines eigenen Wertes nicht immer bewusst ist; es scheint ständig den Positionen der anderen Kontinente hinterherzulaufen, ohne darüber nachzudenken, welchen Preis es dabei bezahlt: den Verlust seiner Menschlichkeit. Deshalb glaube ich, dass ich und andere Künstler und Künstlerinnen durch unsere Kunst dazu beitragen können, dass Afrika sich seiner eigenen Werte bewusst wird.
Oben: Heike Gfrereis: eine Maske aus dem Nachlass von Norbert Elias
Sandra Richter: Frieda von Bülows „Tropenkoller“
Welche Texte und Archivalien gehören in einen Raum, in dem es um die unterschiedliche Arten und Weisen geht, Afrika zu erzählen – aus den Ländern Afrikas ebenso wie aus Europa oder den USA? Diese Frage wird kooperativ und Schritt für Schritt in einer Open-Space-Ausstellung seit dem 10. November 2019 im Literaturmuseum der Moderne mit verschiedenen Kuratoren aus unterschiedlichen Ländern, u.a. mit Partnern aus Namibia, verhandelt.
Im ersten Schritt zeigen wir politisch, ethisch und künstlerisch fragwürdige Afrika-Erzählungen aus der deutschsprachigen Literaturgeschichte seit der Kolonialzeit.
Da zur Eindämmung von Covid-19 weder der geplante Ausstellungsworkshop in Namibia noch das geplante Literaturfestival mit Schriftstellern aus Afrika im Juni in Marbach stattfinden kann, ergänzen wir die Ausstellung um einen virtuellen Raum, in dem die Kuratoren ihre ausgewählte Texte oder Objekte vorstellen.
Gefördert von Ministerium für Forschung, Wissenschaft und Kunst des Landes Baden-Württemberg.
Mehr unter: www.dla-marbach.de