Was empfindet ein Mensch, dessen Biografie oder Familiengeschichte nicht in das offizielle geschichtliche Narrativ der Gesellschaft passt, in der er lebt? Wie können Gedenken und Erinnern Würde verleihen oder sogar Traumata bewältigen? 2,5 Millionen Bundesbürger russlanddeutscher Herkunft gedenken im Sommer 2021 an das Kriegsfolgenschicksal ihrer Eltern- und Großelterngeneration. Sieben Autorinnen und Autoren sprechen im Projekt „Schweigeminuten“ über die Bedeutung dieses Themas für die Gesamtgesellschaft und ihren persönlichen Umgang damit.
Schweigeminuten. Beiträge zu einer vielstimmigen Erinnerungskultur ist ein Projekt des Kulturreferates für Russlanddeutsche und des Museums für russlanddeutsche Kulturgeschichte anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation der Russlanddeutschen
Eleonora Hummel: Ein jedes Wort – über die Sprache und Erzählkultur in den Familiengeschichten der Russlanddeutschen
Die Schriftstellerin berichtet in diesem Essay, wie unmöglich es zuweilen ist, über traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit zu sprechen, zumal ein gelerntes Schweigen und eine verordnete Sprachlosigkeit die Kommunikation darüber noch erschweren. Dem oft geführten Vorwurf, Russlanddeutsche sind in ihren Äußerungen rückwärtsgewandt, entgegnet sie mit dem Wunsch nach mehr Empathie und Anerkennung für ein unaufgearbeitetes Kollektivschicksal.
Dr. Felix Riefer: Russlanddeutsche – die Sache mit dem Kriegsfolgenschicksal
Über die Gründe für die Aufnahme von (Spät-)Aussiedlern in Deutschland kursieren seit jeher Vorurteile und Halbwissen. Dieser Artikel räumt damit auf und beleuchtet die humanitären Grundlagen der damaligen Aufnahmegesetze.
Artur Rosenstern: Warum nur …?
Die Geschichten, die Omama ihrem Enkel Robert im kirgisischen Tokmak erzählt, widersprechen den Inhalten, die er in der Schule über die Vergangenheit lernt. Und auch später in Deutschland klaffen die eigene Geschichte und die öffentliche Sicht weit auseinander.
Katharina Heinrich: Wechselwirkungen – das Schicksal der Russlanddeutschen im Spiegel der gesamtdeutschen Geschichte
Die Kollektiverlebnisse der Russlanddeutschen im von totalitären Systemen geprägten 20. Jahrhundert, sind noch immer nicht in den geschichtlichen Kanon dieses Landes eingegangen. Zu unrecht, findet die Autorin, denn ihre Geschichte war stark von den Ereignissen in Deutschland und im übrigen Europa beeinflusst.
Melitta L. Roth: Der Feind im Inneren – von der fünften Kolonne Hitlers zur fünften Kolonne Putins
In ihrem historischen Exkurs beleuchtet die Autorin, wie es zu den kollektiven Repressionen vor 80 Jahren kommen konnte. Sie zeigt auf, wie ein einziger unbestätigter Verdacht das Leben von Hunderttausenden dramatisch verändern kann und dass Minderheiten von außen schnell ein Loyalitätenkonflikt nachgesagt wird.
Viktor Funk: Von Hunden und Bubble Gum
Die Erinnerungen an seinen in Kasachstan zurückgelassenen Welpen führen den Autor zu Gedanken über unausgesprochene Gefühle und versperrte Wahlmöglichkeiten bis zu emotionalen Gräben zwischen den Generationen. Viktor Funk setzt sich in seinem Text mit dem Innenleben der sogenannten mitgebrachten Generation der Aussiedlerkinder auseinander.
Christina Pauls: Das Trauma in den Genen: eine unheilbare Diagnose?
Idee und Konzept: Melitta L. Roth und Edwin Warkentin
Kamera, Bild und Ton: Edwin Bill
Musik: Manriquedelara – Feelings Background Corporate Upbeat
© Kulturreferat für Russlanddeutsche, 2021
Wie wirken sich bereits vor Generationen erlebte Traumata auf das Leben der Nachkommen aus? Werden sie unterschiedlich empfunden und bewertet? Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, sie aufzulösen oder gar zu heilen? Christina Pauls sucht im ihrem Essay nach Möglichkeiten, Vergangenheit unter Einbeziehung der eigenen Identität neu zu erzählen, um sie wiederherstellen zu können.
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen
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