Ihr Leben lang kreiste Susan Sontags Denken um das Sehen – und darum, was es bedeutet, gesehen zu werden. Früh erkannte sie die prägende Kraft der Fotografie in einer von Bildern überfluteten Welt. Bereits 1977 schrieb sie in On Photography, ihrem einflussreichsten Werk, dass Fotografieren weit mehr sei als bloßes Festhalten der Realität – es sei ein Akt der Aneignung, eine Form der Macht. Diese kritische Auseinandersetzung mit der Bilderflut wurde für sie zur lebenslangen Obsession.
Besonders in ihrem späteren Buch Das Leiden anderer betrachten (2003) verschärfte sie ihren Blick auf die Omnipräsenz von Kriegs- und Gewaltfotografien. Angesichts der globalen Medienlandschaft, die unaufhörlich Bilder des Grauens verbreitet, warnte Sontag eindringlich vor der Gefahr einer abgestumpften Gesellschaft – einem Publikum, das in der Flut des Schreckens die Empathie verliert.
Die Ausstellung Susan Sontag. Sehen und gesehen werden nimmt diese Gedanken zum Ausgangspunkt. Doch sie zeigt nicht nur die Essayistin als kritische Theoretikerin der Fotografie, sondern auch die politische Intellektuelle, die sich für queere Kultur einsetzte, gegen die Diskriminierung von HIV-Infizierten kämpfte und ihre eigene Krebserkrankung reflektierte. Als Filmkennerin und Regisseurin versuchte Sontag, dem Bild eine neue Sprache zu verleihen – und sich zugleich als unbeugsame Denkerin gegen gesellschaftliche Konventionen zu behaupten.
Eine Hommage an eine Frau, die nicht nur sah, sondern immer auch hinterfragte, was sie zu sehen bekam.
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