Ein genaues und differenziertes Verständnis des Kolonialismus erfordert eine Auseinandersetzung mit seiner wirtschaftlichen Dimension: mit Ungleichheiten, Arbeit, Märkten und Kapitalismus in der Kolonialgeschichte. Dazu ist es entscheidend, vernachlässigte Fragen (neu) zu stellen: Wie verhält sich Kolonialismus zu Kapitalismus und wie ging koloniale Ausbeutung in der Praxis vonstatten? Wie hing koloniale Gewalt mit ökonomischer Ausbeutung zusammen und wer profitierte eigentlich wirklich vom Kolonialismus? In seinem Vortrag diskutiert der Historiker Dr. Kim Todzi diese Fragen am Beispiel des Woermann-Konzerns.

Kaum ein anderes Unternehmen war über so eine lange Zeit so eng mit der deutschen Kolonialherrschaft in West- und Südwestafrika verbunden wie der Woermann-Konzern. Gegründet als Handelshaus C. Woermann in Hamburg, entwickelte sich das Handelsunternehmen zu einem vielseitigen Logistikkonzern, der Reedereien wie die Woermann-Linie, Plantagenunternehmen und Konzessionsgesellschaften umfasste. In Deutschland und in Westafrika war Woermann zentral für die koloniale Eroberung. Das Unternehmen übte Druck auf die deutsche Politik aus und seine Vertreter handelten Schutzverträge in Westafrika aus. Die im Jahr 1885 gegründete Woermann-Linie fungierte als entscheidendes Scharnier zwischen Deutschland und Westafrika. Sie war bis 1906 die einzige deutsche Reederei, die dauerhaft Liniendienste in der Region anbot. Während des Völkermords an den Herero und Nama spielte sie eine bedeutende Rolle in der Organisation von Nachschub- und Truppentransporten.

Kim Todzi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich Globalgeschichte der Universität Hamburg und wissenschaftlicher Koordinator der Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe forscht zu Kolonialgeschichte, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, zur Geschichte der pharmazeutischen Industrie und postkolonialer Erinnerungskultur. 2023 erhielt er den Walter-Markov-Preis für Geschichtswissenschaften für sein Buch Unternehmen Weltaneignung. Der Woermann-Konzern und der deutsche Kolonialismus, 1837–1916 (Wallstein 2023). Zu seinen weiteren Veröffentlichungen gehören Hamburg: Deutschlands Tor zur kolonialen Welt. Erinnerungsorte der (post-)kolonialen Globalisierung (zus. mit Jürgen Zimmerer, Wallstein 2021) und Genocidal Violence. Concepts, Forms, Impact, (zus. mit Frank Jacob, De Gruyter 2023).

Mehr unter: www.museum-fuenf-kontinente.de

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