1916: Die Großschlachten des Weltkriegs und ihre Filmbilder
Einführungen: Steffen Bruendel (Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt), Vinzenz Hediger (Professur für Filmwissenschaft, Goethe-Universität Frankfurt)
Verdun, Somme, Skagerrak, Isonzo: Wie Mahnrufe stehen die Namen für das erbarmungslose Jahr 1916, in dem die Kombattanten des Ersten Weltkriegs mit einer bis dato ungekannten Mobilisierung von Menschen und Material an allen Fronten Entscheidungen zu erzwingen suchten. 1916 steht für die verlustreichsten Schlachten, für die „Blutmühlen“ an der Westfront. Es steht für das größte Seegefecht des Weltkriegs wie auch für seine erbitterten Gebirgskämpfe. Es steht für den Durchbruch Russlands in der Bukowina, den Feldzug Österreich-Ungarns gegen Montenegro, das Scheitern der Entente-Truppen in der Schlacht von Gallipoli und den Kriegseintritt Rumäniens.
In der Erinnerung an den Krieg nahmen die Großschlachten von 1916 früh eine zentrale Stellung ein. Das manifestiert sich auch im Repertoire bewegter Bilder über den Weltkrieg: Vom bekanntesten Filmdokument aus der Kriegszeit selbst, dem britischen Propagandaerfolg THE BATTLE OF THE SOMME (1916), bis hin zu jüngeren Repräsentationen wie THE TRENCH (1999) oder UN LONG DIMANCHE DE FIANÇAILLES (2004) thematisieren Weltkriegsfilme beständig Ereignisse von 1916. Viele der ikonisch gewordenen Filmbilder, die der visuellen Imagination des Kriegs heute ihre Gestalt geben, beziehen sich auf jenes Jahr.
Anlässlich der 100. Wiederkehr der Ereignisse gibt die vom Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filminstitut konzipierte Reihe an vier Abenden im Laufe des Jahres 2016 Gelegenheit, ausgewählte Werke von Filmschaffenden aus jener Generation in den Blick zu nehmen, die 1916 selbst erlebt hat. Jeder Film thematisiert ein Ereignis von 1916 und wird jeweils von einem Kurzfilm aus dem Kriegsjahr begleitet, der einen Eindruck davon gibt, was für Bilder der Kämpfe das damalige Kinopublikum zu sehen bekam. Zur Kontextualisierung der Filme wird jeder Abend mit zwei kurzen Fachvorträgen eingeführt, einem historischen und einem filmhistorischen.
VERDUN, VISIONS D’HISTOIRE
Frankreich 1928. R: Léon Poirier
D: Albert Préjean, Jeanne Marie-Laurent, Suzanne Bianchetti.
Als Vorläufer des Doku-Dramas zählt Léon Poiriers lange verschollener Semidokumentarfilm über die Schlacht von Verdun heute fast schon zu den kanonischen Werken unter den Welt-kriegsfilmen. Anlässlich des zehnten Jahrestags des Waffenstillstands von Compiègne wollte Poirier ein pazifistisches Signal setzen, zumal das Kino den Krieg bis dahin auffallend selten thematisiert hatte. Um den größtmöglichen Authentizitätseffekt zu erzielen, ließ der Regisseur die Kämpfe an Originalschauplätzen durch Veteranen nachstellen und montierte die so entstandenen Aufnahmen mit Archivmaterial. Zur Dramatisierung des Geschehens und zur Universalisierung der Botschaft treten fiktionale Figuren auf, die jeweils symbolisch für größere Akteursgruppen stehen. Wie eindrucksvoll Poirier der angestrebte Eindruck von Echtheit gelang, wird durch den Umstand erhellt, dass manche Fragmente und Standfotos lange für Originaldokumente aus dem Krieg gehalten wurden, bis die Wiederentdeckung des Films 2006 ihre tatsächliche Herkunft enthüllte.
Flyer zur Veranstaltung: htt
Veranstaltung im Kino des Deutschen Filmmuseums, 21. April 2016