Impressionen der Ausstellungseröffnung mit Performance und Künstlergesprächen
Die Ausstellung legt ihren Fokus auf die künstlerische Anwendung neuer Technologien und eröffnet mit verschiedenen Modulen Ausblicke in die Zukunft. Sie zeigt uns unsere neue Realität, die geprägt ist von 3-D-Druckern und Robotern, Cyborgs und Chimären, Sensoren und Gen-Pools, von tragbaren Technologien und medizinischen Wundern, von synthetischen Lebewesen, bionischen Anzügen und Silikonnetzhäuten, künstlichem Gewebe und Reparaturtechniken, von neuen Erkenntnissen der Weltraumforschung, der Molekularbiologie, der Neurologie, der Genetik, der Quanteninformatik. Sie zeigt uns Visionen und Lösungen für Probleme des 20. Jahrhunderts, z.B. die Abspaltung von Sauerstoff aus CO2 (Kohlenstoffdioxid), um die Klimakrise zu bewältigen.
Mit dem aufrechten Gang wurden Füße zu Händen. Mit den Händen schuf der Mensch Werke. Zu den Werken zählten auch neue Werkzeuge. Mit dem aufrechten Gang wurden die Hände als Werkzeuge des Menschen freigesetzt und damit der Mensch selbst zum »ersten Freigelassenen der Schöpfung« (J. G. Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, Teil 1, 1784). Von manuellen bis zu mentalen Werkzeugen, vom Hammer bis zur Sprache, hat der Mensch im Laufe der Jahrtausende eine Werkzeugkultur, eine »engineering culture«, hervorgebracht, welche die Grenzen der Wahrnehmung und der Welt erweiterte. Der Mensch lagerte die Funktionen seines Körpers aus: die Hand in den Hammer, die Füße in das Rad, die Arme in Pfeil und Bogen, das Sprechen in die Schrift, das Gedächtnis in Tontafeln und Computer etc. Mit der Kette der Exteriorisierungen tritt der Mensch aus der Evolution aus, er befreit sich von der Gewalt der Natur und schafft mit seinen Werkzeugen, exteriorisierten Organen, eine künstliche Exo-Evolution.
Von der Exo-Biologie zu Exo-Planeten, von Exo-Skeletten bis zu »Exo-Schwangerschaften« (Leihmütter) entstehen die Konturen einer neuen Welt, die zutiefst technologisch geprägt ist. Auch die Kunst kann sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr von dieser technologischen Entwicklung fernhalten. Der Fokus der klassischen Kunst lag darauf, das zu repräsentieren, was das natürliche Auge wahrnahm. Die Maler blieben bei der Sichtbarmachung der Gegenstandswelt auf der Oberfläche der Dinge und in retinalen Effekten gefangen. Vom Mikroskop zur Computertomografie haben sich die Techniken der Wahrnehmung in der Wissenschaft weiterentwickelt. Objekte wurden apparativ sichtbar gemacht, die für das natürliche Auge nicht erkennbar waren. Die neuen Medien holen die Techniken der apparativen Perzeption, von Fotografie bis Computer, in das Reich der Kunst. Dadurch entsteht ein neues Bewusstsein für die Verschränkung von natürlicher und apparativer Wahrnehmung, von Gegenstandswelt und Medienwelt, Kunst und Wissenschaft. Medien sind aber nicht nur Bild- und Ton-Maschinen, sondern auch Schnittstellen zur Konstruktion neuer Wirklichkeiten und neuer Kommunikationsformen. Wir kommunizieren, verhandeln und handeln mit Medien. Der Wandel von den visuellen zu den sozialen Medien macht deutlich, dass ihr Gebrauch der entscheidende Faktor ist. Medien sind performativ. Ihre Wirkung ist ubiquitär und nachhaltig. Wir sprechen daher nicht nur von Bildern, sondern von »Bildakten«, nicht nur von Sprache, sondern von »Sprechakten«, nicht nur von Wahrnehmung, sondern von »Wahrnehmungsakten«. Aktionen und Handlungen wurden zu Kunstformen.
Nachdem sich KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen eine gewisse Schnittmenge von Werkzeugen teilen, sehen Studios von KünstlerInnen gelegentlich aus wie Labors von WissenschaftlerInnen und umgekehrt. KünstlerInnen von heute sind auch weniger auf der Suche nach subjektiver Expression, sondern ihre Referenzrahmen sind soziale Systeme sowie Strukturen und Methoden der Wissenschaften. Daher gibt es neue Forschungsgebiete wie Art & Science Labs und »art-based research«. Eine Verwissenschaftlichung der Kunst wie in der Renaissance zeichnet sich ab, eine Renaissance 2.0.
Videodokumentation:
ZKM | Institut für Bildmedien
Kamera: Moritz Büchner Sarah Binder Jonas Pickel Rabea Rahmig Martina Rotzal Christina Zartmann
Schnitt: Christina Zartmann
Weitere Informationen: ZKM Karlsruhe